KW 07-08, ab 12. Febr.

12. Februar, Montag, Clarence Town

Der Wind bleibt bei über 20 kn, JABULO schaukelt ein wenig, aber es ist gut erträglich. Morgens um 08:00 kommt das Versorgungsschiff der Bahamas und macht am offiziellen Anleger fest, zum Glück liegen wir wieder draußen. Wir müssen unseren Leihwagen heute um 14:00 abgeben. Es bleibt nach dem Frühstück genug Zeit, zur Untersuchung meiner Schwindelattacke zur Inselklinik zu fahren. Mit Andi und Andreas setzen wir mit Klein-JABULO zur Marina über. Mit dem Wind kommen wir trocken dort an, auf dem Rückweg wird es etwas nasser zugehen. Die Klinik, genannt Health Center, befindet sich im Hauptort ca. 15 km nördlich. Das Gebäude stammt sicherlich aus Kolonialzeiten, ist von außen und innen in dem typischen Krankenhausgrün gestrichen. Im Empfangs- und Warteraum halten sich mehrer Krankenschwestern und Pfleger aus, Patienten sehe ich vorerst nicht. Bürokratie muss sein, als erstes muss ich einen Anmeldebogen ausfüllen.

Dann werden Blutdruck, Körpergröße und Gewicht gemessen, bevor ich im Innenflur Platz nehmen kann. Außer mir sind noch 2 Frauen als Patienten anwesend. Es dauert nicht lange, dann holt mich die diensthabende Ärztin, Dr. Carter, in ihr Sprechzimmer. Sie ist eine freundliche Frau und wie ich bald merke sehr kompetente Ärztin um die 50 Jahre und hört sich aufmerksam meine Krankengeschichte an. Leider ist das EKG-Gerät gerade kaputt und Blutanalysen kann sie auch nicht durchführen. Also kommt die klassische Methode zum Einsatz, Stethoskop, Pulsmesser und noch mal Blutdruck-Armbinde. Ihre Diagnose ist ebenfalls TIA, zur Sicherheit telefoniert sie noch mit einer Spezialistin in einer Herzklinik in Nassau. Mir wird empfohlen, mich so bald wie möglich mittels MRT gründlich untersuchen zu lassen, um die Ursache der Herzrhythmusstörungen rauszufinden. Als aktuelle Maßnahme gibt es nur die Einnahme von Beta-Blockern zur Senkung von Puls und Blutdruck sowie von schwach dosiertem Aspirin zur Blutverdünnung. Die Tabletten gibt es gleich mit auf den Weg.

Wir diskutieren kurz die medizinischen Möglichkeiten in den Bahamas, aber wahrscheinlich müsste ich entweder nach Miami oder sogar nach Deutschland fliegen. Da ich vorher JABULO irgendwo in eine sichere Marina segeln müsste, käme eine sofortige Abreise mit dem täglichen Flugzeug nicht in Frage, in der Flying Fisch Marina hier in Clarence Town ist kein Platz frei, das habe ich schon erkundet. Dr. Carter versichert mir, dass keine akute Gefahr vorläge und bringt zum Schluss ihr ultimatives Behandlungsinstrument zum Einsatz, ihre Bibel. Die liegt stets aufgeschlagen auf ihrem Schreibtisch und nach einem kurzen Gebet für mich umarmt sie mich zum Abschied und entlässt mich mit den besten Wünschen.

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Auch hier hat Pater Jerome eine Kirche gebaut, die aufgrund der Miniaturausführung eine gewaltige Kulisse simuliert.

Wir fahren zurück zur Marina, geben das Auto ab und werden auf der Rückfahrt zu JABULO ein wenig nass. An Bord diskutieren wir das Ergebnis der Untersuchung, im Zweifelsfall müsste die Crew hier den Törn abbrechen. Ich vertage die Entscheidung, wir sitzen wegen des Starkwinds sowieso noch bis mindestens Freitag fest. In der Zwischenzeit ist eine Motoryacht angekommen, die Schutz vor den Wellen sucht, einer der Katamarane ist abgesegelt, etwas bewegt sich hier also doch. Zum Glück haben wir Telefonverbindung, ich informiere meine Familie über die Situation und setze dann eine Annonce zum Verkauf eines unserer Autos ins Internet bei mobile.de. Zum Abendessen gibt es Kartoffelsalat mit Bratwurst und wir schauen uns den zweiten Teil von „Die Götter müssen verrückt sein“.

13.-15. Februar, Clarence Town

Die folgenden drei Tage vergehen langsam, die Crew zieht es noch ein paar Mal zu Ausflügen mit dem Dinghi an die umliegenden Strände.

Ich arbeite am Computer, um auf noonsite.com und activecaptain.com möglichst verlässliche Informationen über unser nächstes Ziel, die BVIs zu erhalten. Täglich überarbeite ich anhand der GRIB-Daten die geplante Route dorthin. Wir müssen wohl aufkreuzen, es ist keine Winddrehung in Sicht. Andreas versucht sich in unendlicher Geduld als Angler, hat aber keinen Erfolg. Bei der Marina melde ich mich zum Ausklarieren an, der Customs-Inspektor wird am Donnerstagmittag dort sein und uns die Papiere ausfertigen. Es ist nicht ganz klar, ob wir für die BVIs eine Ausklarierung benötigen, die offiziellen Seiten der Inselgruppe widersprechen sich. Ich gehe auf Nummer sicher, es macht keinen Spaß, bei unserer Ankunft mit den dortigen Behörden zu diskutieren und evtl. hohe Bußgelder zu bezahlen, wie es anderen Seglern schon passiert ist. Wir haben Zeit, deshalb gibt es am Mittwoch mal wieder Pizza zum Abendessen und im Bordkino läuft die englische Komödie „Kalendergirls“, in dem die braven Hausfrauen eines Provinzdorfes einen Kalender mit Nacktfotos von sich produzieren.

Am Donnerstag lässt der Wind deutlich nach, wir haben zwar immer noch 15 kn, aber die Wellen werden angenehmer. Drei andere Katamarane lichten den Anker. Als Vorbereitung auf unsere morgige Abreise lasse ich den Wassermacher den ganzen Tag laufen, um die Tanks voll zu bekommen. Eine Kontrolle der Ölstände in den Getrieben ergibt die bekannte Tatsache, dass ich jeweils 100 bis 150 ml nachfüllen muss. Es ist absolut unklar, wo das Öl verschwindet. Unsere Vorräte sollten für mindestens eine Woche reichen, es gibt nur selbst gebackenes Brot, frische Sachen sind Mangelware.

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Unser Brot wird immer besser

Am Mittag fahre ich mit Andreas zum Ausklarieren, der Spaß kostet exakt unsere letzten 175 Dollar, jetzt sind wir sozusagen pleite, was lokales Geld betrifft. Das Abendessen besteht aus Nudeln mit der restlichen Pizzasauce und ein paar Würstchen.

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Und auch das Abendessen schmeckt.

Im Kino ist härtere Kost angesagt, der französische Film „Nikita“ zeigt die Ausbildung einer jungen straffälligen Frau zu Profikillerin und deren Leben als solche.

16. Februar, Freitag, Clarence Town => San Salvador 74 nm

Morgens um 08:00 geht es endlich weiter, mir geht es gut, ich habe keine Nachwirkungen meines Anfalls. Wir lichten den Anker und nach ein paar anfänglichen Winddrehern aufgrund von lokalen Schauerböen segeln wir hart am Wind nach Norden, wir können bei Ostwind aus 90° einen Kurs von 10-15° so eben halten. Die Abdrift des Katamarans ist mit 10-15° doch erheblich. Um 16:00 haben wir San Salvador genau steuerbord querab. Um uns eine letzte ruhige Nacht zu verschaffen, holen wir die Segel ein und motoren 2 Stunden lang genau nach Osten gegen den Wind. San Salvador steigt abrupt von mehreren Tausend Metern Meerestiefe aus dem Meer. Auf der Westseite gibt es einen nur wenige hundert Meter breiten Streifen flachen Wassers, dort lassen wir bei Sonnenuntergang den Anker fallen. Genau hier ist angeblich Columbus auf seiner ersten Reise über den Atlantik am 12. Oktober 1492 vor Anker gegangen. Uns umweht hier also nicht der Nordostpassat, sondern der Hauch der Geschichte. Und zum Glück ist es wirklich nur mehr ein Hauch, wir verbringen die erste nicht schaukelnde Nacht seit Wochen und schlafen tief und fest. Für eine Woche lang soll es die letzte ruhige Nacht werden.

17.-20. Februar, San Salvador => Big Sand Cay 470 nm

Morgens ist es fast windstill, der neueste Wetterbericht sagt aber unverändert Windstärke 4-5 an. Wir tauschen die letzten Nachrichten mit zu Hause aus, ab jetzt ist Funkstille, bis wir wieder in die Nähe von Land kommen. Aus dem Schriftwechsel meiner Frau mit einem Kaufinteressenten geht hervor, dass heute jemand kommt, das annoncierte Auto abzuholen. Ich gebe ihr per Threema letzte Informationen, wo alles Zubehör liegt, eine Sorge weniger. Wir lichten den Anker, Frühstück gibt es unterwegs.

Solange wir im Schutz der Insel sind, gleitet JABULO absolut ruhig ins tiefe Wasser, um dann nach Norden zu schwenken. Nach ein paar Stunden sind wir im offenen Wasser und können den Kurs auf 15-20° ändern. Nach ca. 30 Meilen und 5-6 Stunden dreht der Wind allmählich zu unseren Ungunsten, wir fahren die erste Wende auf Kurs 150°. Aktuell haben wir das Großsegel im ersten Reff und die Genua voll geöffnet. JABULO macht hier draußen konstant 7-8 Knoten, die Wellen halten sich bei 1-2 m Höhe, wenn es so weiterginge, wäre es wunderbar. Nach erneuten 30 Meilen wenden wir zurück in Richtung Norden, jetzt können wir 30° halten. Wir haben einen 2-stündigen Wachrhythmus vereinbart, damit sollte jeder zu einer ausreichenden Schlafpause kommen. Ich bin erst heute Nacht um 02:00 Uhr dran.

Wie immer, erfolgen die Kapriolen des Windes im Dunkeln, so auch heute. Um halb neun abends sitzt Andreas verzweifelt am Ruder und kann den unvorhersehbaren Drehungen nicht folgen. Der Autopilot ist völlig überfordert und auch per Handsteuerung ist wenig zu machen. Nach einer knappen Viertelstunde mit hin und her schlagenden Segeln holen wir das Großsegel ein und eiern mit der Genua herum, bis der Wind sich entschließt, wieder konstant aus einer Richtung zu wehen. Es geht weiter in nördliche Richtungen. Im Großen und Ganzen können wir erneut die vorigen 30° anliegen. Ich habe bewusst das Großsegel unten gelassen; nur mit der Genua sind wir zwar langsamer, aber es kann nichts passieren. Als ich meine Wache antrete, sitzt Andrea am Ruder. Der Wind drückt uns immer weiter nach Norden weg, sie versucht Höhe zu kneifen, was aber nur dazu führt, dass wir nur noch 3 kn laufen. Wir wenden erneut und für 50 Meilen bleiben wir auf dem Backbordbug. Sobald es hell ist setzen wir das Großsegel erneut, diesmal im 2. Reff. Wir laufen dennoch immer um die 8 kn. Der Wind nimmt langsam aber stetig zu, der scheinbare Wind kommt uns mit 25-30 kn unter 45° von vorne entgegen, das ist Windstärke 6. Die Wellen werden ebenfalls immer höher, bis zu 3m, es kommt mehr und mehr Wasser über, hin und wieder schlägt die Gischt über das ganze Deck und sogar über das Cockpit. Die Wellen schlagen natürlich mit brutaler Gewalt unter das Brückendeck, die Lautstärke der Schläge ist enorm. In den vorderen Kojen liegt man mit dem Ohr sozusagen auf der Trommel, was das Schlafen nicht gerade fördert.

Zum Glück ist JABULO ein älterer Katamaran mit einem geschützten Steuerstand, keiner von uns benötigt irgendwelche Schutzkleidung, wir leben weiterhin in T-Shirt und kurzen Hosen, allenfalls eine dünne Jacke kommt hin und wieder zum Einsatz. Ich möchte bei dem Wetter um keinen Preis auf dem hoch oben liegenden völlig ungeschützten Steuerstand einer modernen Charteryacht sitzen. Auch sonst lässt es sich trotz der enorm harten, abrupten Schiffsbewegungen an Bord noch leben. Wir kochen, backen und essen fast wie normal. Man muss sich nur stetig mit einer Hand irgendwo festhalten. Vom Steuerstand sieht es beim Hochklettern auf einen Wellenberg manchmal so aus, als ob das Schiff jeden Moment kentert. Ein Blick nach innen in die Kombüse beruhigt mich jedes Mal, der Wasserkessel steht ohne Rutschsicherung auf dem Drahtrost des Gasherdes und bewegt sich kaum hin und her. Auf einem Einrumpfboot gäbe e seit San Salvador nur noch Tütensuppen, wir fahren immerhin so hoch am Wind wie möglich, ein Einrümpfer zöge die ganze Zeit die Reling durchs Wasser.

Trotz all dieses relativen Komforts müssen wir eine Pause einlegen. Unser Wetterbericht wird immer unzuverlässiger. Meinen ursprünglichen Plan, weit nach Norden auszuholen und dem starken Ostnordost auszuweichen, können wir mittlerweile vergessen. Wir sind schon zu weit südlich, aber wohin?? Wenn wir so im 30-50 Meilen Zick-Zack weitersegeln, brauchen wir fast noch 2 Wochen zu den BVIs. Das geht so nicht. Ich studiere die Karten und Segelführer, für die letzten Bahamas-Inseln sind wir zu weit im Osten, in die Turks und Caicos will ich nicht, um die damit verbundene Einklarierung zu vermeiden. Außerdem gibt es dort auch nichts Vernünftiges für die Schiffsversorgung. Es bleibt nur die Dominikanische Republik. Ich messe die Entfernungen, schaue in den Segelhandbüchern nach Häfen und Marinas. Es sollte klappen, wenn wir noch einmal Zick und Zack fahren, können wir anschließend auf einem Bug direkt durch die Caicos Straße hindurch in die Ocean World Marina einlaufen. Laut Reiseführer kann man dort, ohne von gierigen Beamten abgezockt zu werden, unbürokratisch und korrekt einklarieren.

Mittlerweile sind wir 3 volle Tage auf See, die dritte Nacht steht an. Nachts nehmen wir stets das Großsegel herunter, so ist es einfach sicherer, auch wenn wir damit viel Zeit verschenken. Wir haben knappe 300 Seemeilen hinter uns gebracht und gewöhnen uns allmählich an die ständigen starken Schiffsbewegungen und den Lärm, das Bordleben ist zwar ein wenig gedämpft, aber die Stimmung ist immer noch gut. Es gibt jeden Morgen ein normales, üppiges Frühstück mit frischem Brot oder frischen Brötchen. Zwischendrin nimmt sich jeder einen Imbiss, einen Snack oder Müsliriegel. Nachmittags gibt es immer Kaffee und Kekse. Jeder macht irgendwann ein kleines Nickerchen, gekocht wird gut, entweder mit Reis oder Nudeln, dazu diverse Saucen und Eintöpfe aus dem Vorratsschrank. Im Gefrierfach liegen noch Hähnchenfilets, die als Curry zubereitet werden. Zu Beginn der Fahrt hatte Andrea Bedenken, dass die Vorräte nicht reichen würden, inzwischen glaubt auch sie, dass wir nicht verhungern werden. Zum Glück sind wir mit vollen Wassertanks gestartet, ich glaube nicht, dass der Wassermacher bei der hohen Strömungsgeschwindigkeit am Rumpf viel leistet. Der Alkoholkonsum ist angesichts der Wacheinteilung und des Schlafmangels drastisch zurückgefahren worden. Der Sundowner ist zeitweilig von der Agenda verschwunden.

Am nächsten Morgen kündige ich an, dass wir zur DOM-REP laufen werden, was einen Sturm der Zustimmung auslöst. Es sind noch ca. 170 Meilen bis zu den Turks-Inseln und von dort dann noch 90 Meilen zu DOM-REP, wir laufen auf Kurs 150-160° direkt auf die Turks-Inseln zu. Das Wetter hat sich leicht geändert, es ist klare Luft, der Wind ist zwar immer noch stark, die Wellen sind jedoch gefühlt schwächer. Andrea nutzt die Gelegenheit, sich aufs Vordeck zu legen. (Einrumpfsegler aufgemerkt: Bei Windstärke 6 und 45° am Wind!!!!) Als sie gerade so schön vor sich hin träumt, tut es einen Schlag, ich habe gerade Wache und merke, irgendwas ist mit dem Großsegel. Da ruft sie auch schon von vorne, das Großfall ist gerissen. Weil das Segel blitzartig sauber in den Lazy-Jacks nach unten gefallen ist, merkt man erstmal wenig Unterschied am Ruder. Wir holen die Großschot dicht, bringen den Traveller auf die Mittelposition und müssen jetzt mit der Genua alleine weitersegeln. Das kostet uns ca. 10° Höhe und 1-2 Knoten Wind, zumindest solange der Wind so stark bleibt. Ich überlege kurz, ob es Sinn macht Southern Caicos anzulaufen. Aber ob es dort irgendwo ein Großfall in der erforderlichen Dimension gibt???

Am Mittag passieren wir den Eingang zur Caicos-Straße. Um uns für eine Nacht Ruhe zu gönnen, peile ich die südlichste Insel der Turks, das unbewohnte Big Sand Cay an. Eine Havarie ist immer eine gute Entschuldigung für einen Landfall, auch ohne sich vorher anzumelden. Mal sehen, ob überhaupt jemand uns bemerkt und dann auch noch rüber gefahren kommt. Das AIS habe ich schon weit draußen abgeschaltet. Kurz vor Sonneuntergang erreichen wir den Wellenschutz der Insel, aber das Vorsegel lässt sich nicht einrollen, die Reffleine hat sich in der Trommel verklemmt. Heute lassen wir aber nichts aus. Ich drehe JABULO vor den Wind, das Vordeck liegt trotz mehr als 20 kn Wind vollkommen still im Wasser, Andi Und Andreas dröseln mit der Hand die Leine auf, Andrea beleuchtet den Arbeitsplatz mit der Taschenlampe. Nach einer Viertelstunde können wir das Segel endlich einrollen und müssen die 2 Meilen, die wir vor dem Wind abgelaufen sind, zurück motoren. Egal um 19:30 liegt der ROCNA Anker unten und wir können uns eine Pause gönnen. Die See ist zwar unruhig, aber das laute Schlagen der Wellen unter dem Rumpf hört auf. Heute gibt es wieder einen Sundowner, die Ankerwache übernimmt der Computer und wir können beruhigt schlafen gehen.

21. Februar, Mittwoch, Big Sand Cay => Dom. Republik 191 nm

Heute ist Mittwoch, es sind noch knapp 90 Meilen Luftlinie zum Ziel, das sollten wir auch noch schaffen. Der Wind wird erst am Nachmittag in die gewünschte Richtung drehen, wir beschließen, um 17:00 früh zu Abend zu essen und dann loszufahren, der Tag wird mit Trocknen der Kabinen, Handtücher, Betten usw. verbracht. Nur mit der Genua als Antrieb sollten wir Donnerstag im Laufe des Tages eintreffen. Leider ist unsere Vorhersage nicht aktuell, wir sind kaum aus dem Schutz der Insel heraus, da überfallen uns im Stundentakt die gefürchteten Squalls, das sind schwere Regenschauer, die unberechenbare Winde mit sich bringen. Zum Glück haben wir nur das Vorsegel draußen, das Groß ist ja nicht einsatzfähig. So ein Squall kündigt sich dadurch an , dass der Wind rapide abnimmt und dreht, um dann aber mit dem Eintreffen der Regenwand enorm zuzulegen. Mich erwischt es am Ruder gleich um ca. 19:00 Uhr. Urplötzlich jagt der Windmesser auf 40 Knoten und mehr hoch, der Regen prasselt mit Urgewalt aufs Schiff nieder. Ich gehe so hoch an den Wind wie möglich, JABULO soll noch Fahrt machen, aber möglichst wenig, bei 4 Knoten ist Schluss, dann fällt das Segel ein. Die Attacke dauert vielleicht 10 Minuten, dann sind wir durch, mir kommt es wie eine Ewigkeit vor. Was ist, wenn uns das voll ausgereffte Vorsegel flöten geht??? Aber es geht gut, vorsichtshalber reffen wir dennoch ein wenig, die Nacht ist noch lang.

Was ist mit dem Wetter los??? Der Zufall kommt uns zu Hilfe, von achtern kommt ein Schiff auf, auf dem Computer sehe ich das AIS-Signal der AIDA-LUNA. Sie wird etwa 2 Meilen vor uns durchgehen. Da wir unser AIS auf Nur-Empfang geschaltet haben, funke ich den Kreuzfahrer an und mache ihn drauf aufmerksam, dass wir sehr dicht in der Nähe rumschippern, er kann dann auch bald unsere Positionslichter ausmachen. Später rufe ich erneut an, diesmal auf Deutsch, ob er uns den aktuellen Wetterbericht durchgeben kann. Er kann, der Wind soll die ganze Nacht um die 30 Knoten betragen mit Spitzenwerten bis zu 50 kn in Böen. Na Prima, denke ich mir, bis mir einfällt, dass die AIDA mit 17 kn anstelle unserer 5-6 läuft und ich getrost 10 Knoten abziehen kann. Ich bedanke mich und übergebe die Wache an Andi.

22. Februar, Donnerstag, Big Sand Cay => Dom. Republik 191 nm

Wir fahren die ganze Nacht mit dem gerefften Vorsegel weiter, was leider dazu führt, dass wir beim Ausreffen am Morgen um 08:00 Uhr zwar 20 Meilen vor der Küste stehen, aber noch 35 Meilen bis zum Ziel haben. Um 10:00 reicht es mir, nur mit dem Vorsegel kommen wir direkt gegenan heute nicht mehr in den Hafen. Die Motoren müssen ran, auch wenn es gegen den Wind und gegen die Wellen geht. Wir rollen auch das Vorsegel ein und kämpfen uns mit 4-5 kn mit beiden Maschinen auf 2.500 U/min langsam zur Marina. Die Wellenhöhe beträgt nach wie vor 3-4 m, der Windmesser zeigt kaum jemals unter 25 kn, in Böen sind es wie in der Nacht 40 kn. Trotz der unangenehmen Schiffsbewegungen, auf und ab wie, macht es irgendwie Spaß so zu fahren. Zwischen den Regenschauern haben wir klares Wetter mit Schönwetterwolken. Auf Steuerbord ist die gewaltige Bergkette der Dominikanischen Republik mehr oder weniger deutlich zu erkennen. Ab jetzt ist Schluss mit den flachen Koralleninseln.

Um ca. 15:00 sind wir in Sichtweite der Marina-Einfahrt. Leider habe ich auf dem Raymarine Plotter am Steuerstand keine Karte für dieses Gebiet, ich übertrage die wichtigen Wegpunkte vom Rechner aus dem Open-CPN in den Plotter und fahre wie in alten Zeiten mit reiner Wegpunktnavigation. Die Einfahrt ist extrem schmal und der Wind kommt im ausgetonnten Kanal mit 25 kn exakt von Backbord mit 90° zur Schiffsachse. Endlich erreiche ich den Hafenmeister, der uns bestätigt, dass er genügend freie Plätze hat und uns einen vorläufigen Platz an der Tankstelle zuweist. An der Ansteuerungstonne angekommen, können wir die weitere Betonnung nur schwer ausmachen, ich drehe sicherheitshalber noch einmal nach draußen ab. Beim zweiten Versuch sehen wir die Tonnen besser. Angesichts der ungeheuren Wellen, die direkt rechts der roten Tonnenreihe auf ein Riff aufschlagen, haben wir nur eine Chance. Gasgeben und durch, lautet die Devise, Wenden oder sonstige Manöver sind in der engen Einfahrt unmöglich. Mit 6 Knoten halte ich mich so dicht wie möglich links an die grünen Tonnen und schwenke mit voller Fahrt um 90° nach links in die Hafeneinfahrt rein: Geschafft, schlagartig ist das Wasser ruhig, der Wind kommt jetzt wieder von vorne und bremst uns ab, so dass wir entspannt an der Tankstelle anlegen können. Der Hafenmeister mit einigen Hilfskräften ist da und sie nehmen unsere Leinen an.

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So sieht die Einfahrt bei ruhigem Wetter aus

Wir kämpfen  noch mit den Leinen, die an der hohen Betonkante wie verrückt scheuern, da kommt das Begrüßungskommitee von Militär, Zoll und Einwanderung an Bord. Unsere Pässe werden geprüft, der Zoll beamte schaut einmal durchs Schiff, die Ausklarierung aus Clarence Town begutachtet. Ich bin anscheinend etwas im Tran, denn die Aktion geht irgendwie an mir vorüber. Ich soll morgen mit den Pässen noch einmal zur Einwanderungsbehörde kommen, dann bekommen wir unsere offiziellen Stempel und müssen die Gebühren von 75 $ für das Schiff und jeweils 12,50 $ pro Person bezahlen. Damit ist für heute die Bürokratie erledigt. Man teilt uns mit, dass die Marine den Hafen wegen des Sturms fürs Auslaufen gesperrt hat. Wir wollen heute sicher nicht weiter, also ist uns das egal.

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Wir liegen direkt gegenüber vom Hotel an der Tankstelle

Meine Crew hat noch soviel Energie, dass sie sofort die Marina und die Umgebung erkunden muss. Der Erkundungsgang ergibt, dass gleich außerhalb der Marina mehrere Restaurants/Bars liegen. Die Mannschaft will nachher doprt en paar Drinks nehmen. Ich bleibe an Bord, schon weil ich wegen eines seit drei Tagen in meiner linken Ferse steckenden Glassplitters von einem zerbrochenen Trinkglas kaum noch auftreten, geschweige denn länger laufen kann.

Ab 19:00 Uhr bricht auf der Terrasse des gegenüberliegenden Luxushotels die Hölle los, eine gewaltige Verstärkeranlage erfüllt die gesamte Bucht mit wummernden Bässen. Ein Discjockey legt zu dem elektronischen Bassgerät die gesamte Palette der Disco-Musik ab den 70iger Jahren auf. Auf der Terrasse wird getanzt und gefeiert.

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Unser späterer Dauerliegeplatz

Wie wir später erfahren, sind Donnerstagabend Gäste der umliegenden All-Inclusive-Hotelanlagen zu einer Disco-Nacht im Hafen angereist. Nach dem Abendessen kommt die Crew zurück aus der Bar. Sie gehört anscheinend Kanadiern und eine der Bedienungen hat jahrelang in Deutschland gelebt, so dass die Verständigung auch ohne mich gut geklappt hat. Sie haben neben einer Essensreservierung für morgen abend einen Mittagstermin für mich in einer der lokalen Kliniken ausgemacht, damit ich endlich den Glassplitter loswerde. Andrea versucht noch, bei der Disco mit reinzukommen, aber die Veranstaltung ist eine geschlossene Gesellschaft. Gemeinsam warten wir das Ende der Disco ab, endlich um 23:30 herrscht Ruhe, vorher war Schlafen unmöglich, das ganze Schiff hat mit den Bässen mitvibriert.

23.-Februar, Freitag, Dom. Republik, Ocean World Marina

Nach ausgiebigem Schlaf humpele ich trotz Scherbe zu dem in einem kleinen Laden postierten Geldautomaten und hebe 10.000 Peso ab, das sind etwa 200 USD oder 175 EUR. Mehr gibt es pro Transaktion nicht. Damit und unseren Pässen besuche ich den Einwanderungsbeamten. Als Zeichen seiner offiziellen Funktion trägt er eine Art Polizeimarke um den Hals. Der Beamte ist ein freundlicher, gemütlicher Herr um die 50 Jahre. Leider spricht er kaum Englisch, als ich es dann auf Französisch versuche, ist er glücklich. Auch davon kann er nur wenig, aber wir kommen gut zurecht. Nach 10 Minuten Smalltalk ist alles erledigt, 7.000 Pesos sind in der Staatskasse und ich habe alle erforderlichen Stempel im Pass. An der Rezeption erstehe ich eine Gastlandflagge der Dominikanischen Republik. In der Zwischenzeit hat die Crew unsere gesamte Wäsche in zwei Säcken zur Marina-Wäscherei gebracht. Sobald die fertig ist, wird sie uns zum Boot gebracht, welche ein Service. Dann verholen wir JABULO zu einem der offiziellen Stege in der Marina. Auch am neuen Liegeplatz gibt es dasselbe Problem, die Leinen scheuern an den Betonkanten der Stege, zwei sind schon kaputt. Am neuen Liegeplatz legen wir Fender unter die Leinen, das scheint einigermaßen zu funktionieren, leider schwingt das Schiff aufgrund des Windes und des Schwells enorm hin und her und wir müssen immer wieder die Leinen kontrollieren.

Weil ich so schlecht laufen kann, bringt der Hafenmeister Andi, Andreas und mich mit seinem Golf-Cart zum Restaurant, von dort soll es in die Klinik gehen.

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Das wird unsere Stammkneipe

Der Sohn der Familie wird unser Chauffeur und Dolmetscher sein, er fährt uns mit seinem Van in das nur 6 km entfernte Puerto Plata in eine Klinik. Puerto Plata ist eine typisch südamerikanische Stadt mit ungeheurem Verkehr, Unmengen von Miniaturgeschäften und Firmen entlang der Straßen. Überall fahren Unmengen von Mopeds, besetzt mit bis zu 4 Personen, kreuz und quer herum. Niemand trägt einen Helm oder zumindest feste Schuhe. Die Klinik befindet sich in einen Gewirr von Seitengassen in der Nähe des Hafens. Alle Gänge stehen voller Leute, die auf irgendwen oder irgendwas warten.

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Der Empfangstresen der Klinik

An der Rezeption überreiche ich meinen Führerschein als Ausweis für die Personalien. Dann heißt es warten, Andi und Andreas gehen derweil einen Kaffee trinken und Geld abheben. Nach weniger als einer Stunde werde ich aufgerufen und in die Ambulanz bugsiert. Mein Dolmetscher übersetzt die Geschichte und nach weiteren 15 Minuten geht es im Rollstuhl ab zum Röntgen. Der Splitter ist klar zu erkennen, er sitzt nach 3 Tagen Drauftretens tief im Fleisch, hier muss operiert werden. Ich bekomme eine Infusion mit einem entspannenden Mittel und dann sieht sich die diensthabende Ärztin die Sache an. Ein Pfleger bringt ein steriles vorgepacktes Operationsset und die Ärztin öffnet mit dem Skalpell die bereits zugewachsene Wunde erneut und versucht den Splitter heraus zu ziehen. Leider klappt das nicht, er muss anscheinend von unten herausgehebelt werden. Da das Ganze bisher ohne Lokalanästhetikum abläuft und bereits höllisch wehtut, springe ich bei dem plötzlichen stärkeren Schmerz fast von der Liege. So geht es nicht, Novocain wird injiziert und bald ist der Splitter draußen. Mit einem kleinen Verband versehen kann ich gehen. Ich nutze die Gelegenheit, beim Abschlussgespräch von der Ärztin ein Rezept für weitere Beta-Blocker zu erbitten, das sie mir nach wenigen Fragen ausstellt. An der Rezeption wird die Rechnung erstellt, ich muss umgerechnet 70 € für die gesamte Aktion bezahlen. Auf der Rückfahrt zur Marina halten wir an einer Apotheke an und besorgen die verschriebenen Schmerzmittel, Aspirin und die Beta Blocker. In Restaurant trinken wir ein Bier und machen uns auf den kurzen Rückweg zum Schiff, ich kann wieder laufen.

Am Abend geht es dann erneut ins Restaurant zum Abendessen. Hier sind endlich die Preise für Speisen und Getränke auf einen vernünftigen Niveau, ein Gericht kostet immer um die 10 €, ein Drink zwischen 2 und 5 €, wir bestellen Cuba Libre, Daiquiri, Pina Colada und Bier, zum Essen gibt es außer der offiziellen Speisekarte geräucherte Koteletts mit verschiedenen Beilagen und Saucen. Bester Laune wandern wir zurück zu JABULO und besprechen die Pläne für morgen. Im Rigg weht es immer noch mit bis zu 20 kn, immer wieder kommen Regenschauer runter, die es in sich haben. Das wird sich bis mindestens nächsten Freitag kaum ändern

24. Februar, Samstag, Dom. Republik, Ocean World Marina

Jetzt sind einige Tage der Erholung angesagt, an die Reparatur der Sturmschäden auf JABULO will ich erst später denken. Da ich immer noch nicht perfekt laufen kann, versuchen die anderen, ohne mich einen öffentlich zugänglichen Strand zu finden und fahren mit einem Taxi durch Puerto Plata hindurch zum sogenannten Kite-Strand. Das Ambiente ist enttäuschend, überall liegt Müll herum. Die Kneipen und Restaurants sind in einem erbarmungswürdigen Zustand. Anscheinend sind alle schönen Strände im Besitz von Privatleuten oder internationalen Reisekonzernen. Die Strände der Hotelanlagen sind top gepflegt, nur leider komplett unzugänglich für die Allgemeinheit. Auf dem Rückweg wird der anstehende Großeinkauf erledigt. Nach dem kargen und teuren Angebot der Bahamas sind wir im Paradies gelandet. Es gibt praktisch alles in Riesenauswahl und zu zivilen Preisen. Der Supermarkt kann sich durchaus mit amerikanischen Märkten messen, nur die Preise sind niedriger. Es gibt endlich wieder tropische Früchte und Gemüse sowie Fleisch und Baguette.

Für heute Abend haben wir gestern im Restaurant frischen Fisch für uns bestellt. Es findet dort eine Hochzeit statt und der Koch geht auf größere Einkaufstour. Als wir beim Restaurant eintreffen, defilieren die Hochzeitsfamilien gerade für die Fotografen über die Straße zu einem am Strand aufgebauten kleinen Hochzeitspavillon, wo anscheinend die Trauung stattfinden soll.

Wir sind ja nicht dazu eingeladen und gehen rein zum Essen. Jeder von uns bekommt einen fast tellergroßen kompletten gegrillten Fisch mit Reis und Gemüse. Auch wenn das Essen wegen der Gräten etwas mühsam ist, schmecken tut er wunderbar. Nach dem Essen verabreden wir noch mit den Besitzern, dass wir für 3 Tage einen Leihwagen bekommen und verabschieden uns zurück zum Schiff.

26. Februar, Sonntag, Dom. Republik, Ocean World Marina

Wir schlafen heute alle sehr lange, dementsprechend gibt es erst sehr spät Frühstück. Auch wenn ich eigentlich noch nichts am Schiff arbeiten wollte, versuche ich dennoch den Auftriebsraum im  Backbordheck leer zu pumpen, allein die Sicherung der kleinen Bilgenpumpe springt immer wider raus. Irgendwo ist da Wasser in den Kabeln. Der Auftriebsraum steht bis oben voll, weil dauernd die Wellen über den Bug und die Seite in die Badestufen geschlagen sind. Andrea erbarmt sich und pumpt alles mit der Handpumpe aus. Die Sicherung springt weiterhin raus. Es hilft nichts, wir müssen die Pumpe ausbauen. Letztlich stellt sich heraus, dass sie zuviel Strom zieht, also einen internen Kurzschluss hat. Eine neue Pumpe muss her.

Jetzt ist es schon Mittag, Andreas geht den Leihwagen abholen, aber irgendwas klappt nicht richtig, er muss das Auto heute Abend wieder abgeben und morgen ein anderes Auto holen. Währenddessen brät Andrea das gestern gekaufte Fleisch an, es soll Gulasch geben. Als Andreas mit dem Auto zurück kommt und einen Ausflug vorschlägt, bleiben Andi und ich zurück, ich schreibe den längst überfälligen Blog für Woche 6 und überwache den Gulasch, Andi legt sich aufs Vordeck in die Sonne. Nach dem wirklich gut schmeckenden Gulasch mit Reis als Abendessen ist auch diese Woche zu Ende.

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