KW 27, ab 03. Juli

03 Juli 2017 Von Seal Bay nach Southwest Harbor 32 nm

Am Morgen weht ein leichtes Lüftchen, vielleicht haben wir Glück und können segeln. Wir starten um 08:30 Uhr, heute wollen wir ein echtes Stück Strecke schaffen. Wir setzen sofort nach dem Auslaufen aus der Bucht Segel, leider endet die Segelei kläglich nach nur einer Stunde, Flaute setzt ein. Es herrscht eine der klassischen sommerlichen Hoch-druckwetterlagen, der Luftdruck ändert sich praktisch nicht, es sind, wenn überhaupt, nur Schönwetterhaufenwolken zu sehen. Bei dieser Wetterlage gibt es immer nur schwachen Wind, also muss der Motor ran. Um Diesel zu sparen, fahren wir nur mit der Backbordmaschine, das ist nur ca. 1, 5 kn langsamer als mit beiden Motoren.

Plötzlich fällt die Geschwindigkeit ab, JABULO dreht nach rechts, wir haben mit der im Leerlauf mitdrehenden rechten Schraube eine der unzähligen Fischerbojen eingefangen. Ich starte den rechten Motor und gebe einen kurzen Rückwärtsstoß. Der Zug nach rechts hört auf, offenbar sind wir wieder frei. Jetzt fahren wir mit beiden Motoren, plötzlich pfeift der Alarm des Steuerbordmotors, die Kühlwassertemperatur ist zu hoch. Hängt doch noch was in der Schraube?? Da gerade kein Wind ist und eine passende Bucht direkt neben uns, lassen wir dort kurz den Anker fallen. Andras springt ins doch noch recht frische Wasser und taucht einmal zur Schraube runter, es ist alles frei. Wir fahren weiter mit beiden Motoren, der Steuerbordmotor wird wieder zu heiß, obwohl das Kühl-wasser wie vorgesehen aus dem Auspuff spritzt. Also geht es nur mit dem Backbord-motor weiter, hier draußen können wir eh nicht viel machen. Und die paar Minuten, die wir zum Ankern oder Anlegen brauchen, macht der Motor auch ohne ausreichende Kühlung.

Während ich unter Deck einen Blick auf den defekten Motor werfe, höre ich ein schaben-des Geräusch am Rumpf und die Backbordmaschine wird abgewürgt. Wir sind mitten in ein eng bestücktes Feld mit Hummerbojen gefahren und haben uns Leinen in beide Schrauben gewickelt. Solange diese Bojen einzeln verankert sind, stellen sie keine Gefahr dar, aber hier sind immer etliche Bojen quer miteinander verbunden, da kommt man nicht sauber durch. Das ganze Meer in dieser Gegend ist mit Abertausenden von diesen Hummerfangkörben bestückt, die Fischer legen sie überall, auch mitten in Fahrrinnen, aus.

Wir stecken erstmal fest, eine der Hummerleinen hält uns wie an Backbord wie ein Anker. Wenn wir die einfach durchschneiden, treibt JABULO manövrierunfähig im Meer, weil beide Motoren blockiert sind. Theoretisch könnten wir Segel setzen, aber damit kämen wir nicht aus dem Labyrinth der vielen Bojen raus. Wir lassen das Beiboot zu Wasser, evtl. kommt man von dort an die Schrauben zum Freischneiden. Es geht nicht, die Schrauben sind zu tief oder die Arme zu kurz. Es hilft nichts, Andreas geht erneut ins Wasser, das vielleicht 16° hat und taucht immer wieder zur Steuerbordschraube runter, nach einer Viertelstunde hat er alle Leinenreste losgesäbelt, der Motor ist frei. Dann muss er sich erstmal in der Sonne wieder aufwärmen. Jetzt könnten wir die Backbord-leine kappen und mit dem einen Motor weiterfahren, das ist aber der, der zu heiß wird, das ist mir zu unsicher.

Nach einer guten Stunde Aufwärmpause für Andreas geht es deshalb an die zweite Schraube. Ich habe JABULO an der Leine, an der wir hängen, soweit nach hinten gezogen, dass ich diese an der Heckklampe belegen kann. Damit wird Schraube vom Zug entlastet, und vor allem, das Schiff fixiert. Ansonsten würde JABULO beim Losschneiden von der Schraube sofort abtreiben und Andreas zurücklassen. Nach weiteren 10 Minuten Tauchen ist auch die zweite Schraube frei. Wir starten beide Motoren, werfen die Leine los und Hurra, JABULO ist wieder voll manövrierfähig. Vielen Dank, Andreas, für diesen „coolen“ Arbeitseinsatz.

In der Aufwärmpause habe ich mich mit dem überhitzenden Motor befasst. Das Meeres-kühlwasser fließt aus dem Auspuff, die interne Wasserpumpe arbeitet, Öl ist genug drin. Was zum Teufel ist los?? Bei laufendem Motor fühle ich an allen Schläuchen die Temperatur, der Schlauch des internen Kühlwassers am Ausgang des Meerwasser-kühlers wird nicht warm. Ich öffne den Kühlwasserdeckel, leer. Nachdem ich ca. einen Liter Wasser eingefüllt habe, funktioniert es wieder. Nach einer halben Stunde Fahrt mit beiden Motoren schalte ich den Steuerbordmotor wieder ab, er ist jetzt ok, verliert aber an einer Schlauchschelle tröpfchenweise Kühlwasser. Das wird morgen repariert.

Jetzt haben wir einige Stunden festgelegen, an eine größere Strecke ist heute nicht mehr zu denken. Wir nehmen Kurs auf Southwest Harbor, die Einfahrt erreichen wir nach 16 nm um ca. 19:00 Uhr. Wir ankern weit vor dem sicherlich überlaufenen Hafen auf 10 m Wassertiefe, bei Ebbe sind es dann immer noch 6-7 m. Hier beträgt die Tide über 3 m. Zum Abend essen gibt es den Rest Reis von gestern mit Bohnen-Tomatensoße, zum Nach-tisch noch Pfirsiche aus der Dose mit Joghurt und Cornflakes, anschließend Tee mit Rum. Wie schon an einigen Orten vorher, wird uns zu Ehren um zehn Uhr abends wieder ein Feuerwerk veranstaltet.

04. Juli 2017 Southwest Harbor

Heute ist der amerikanische Unabhängigkeitstag. Das Einzige, was wir am Vormittag davon bemerken, sind diverse Motoryachten, ein paar Segler sind auch darunter, die ein- und auslaufen. Wie wir es in den anderen größeren Häfen schon bemerkt haben, erfreuen sich Rundfahrten auf Traditionsschiffen großer Beliebtheit, so auch hier. Gegen Mittag nimmt die Bewölkung zu, wir fahren mit Klein-JABULO in den Hafen, wo wir an einem überfüllten Dinghi-Dock festmachen. Von dort sind es nur ein paar hundert Meter bis zum Stadtzentrum.

Vor einem Informationszentrum finde ich ein offenes WLAN und auf einer Bank sitzend lade ich die neuesten Blogbeiträge hoch, versende Mails und aktualisiere meine Web-seiten. Das dauert, Andreas geht derweil einkaufen; wir brauchen wieder Brot, Gemüse und Obst. Es ist mittlerweile später Nachmittag, mehr und mehr Leute sind auf den Straßen, obwohl es bedrohlich nach Regen aussieht. Als ich meinen Bürokram erledigt habe, gehe ich in die Bar gegenüber, um auf Andreas zu warten. Im dazugehörigen Restaurant sind alle Tische, drinnen wie draußen, eingedeckt und mit Schildchen als reserviert gekennzeichnet. Ansonsten merkt man vom Feiertag nicht viel, die meisten Geschäfte haben geöffnet, auf einer Baustelle wird sogar gearbeitet.

Die ersten Essensgäste kommen und setzen sich an die Tische im Freien. Just als Andreas zurückkommt, beginnt es zu tröpfeln, aus dem Tröpfeln wird schnell ein schwerer Schauer, alles flüchtet nach drinnen. Wir bestellen uns noch einen Drink und warten ab, bis es wieder trocken ist. Der Schwimmsteg, an dem unser Dinghi befestigt ist, liegt mittlerweile gut 3 Meter höher, die beim Ankommen steile Rampe ist jetzt beinahe eben. Auf der Rückfahrt zu JABULO kommen wir an einer mitten im Hafenbecken verankerten Arbeitsplattform vorbei, darauf Warnschilder mit dem Hinweis: Achtung Feuerwerks-körper, mindestens 500 Fuß Abstand halten. Also wird es am Abend wohl noch etwas zu sehen geben. An Bord bereiten wir uns mit dem ebenfalls gekauften Hackfleisch eine erstklassige Sauce für Spaghetti, und zwar genug für 2 Tage, dann müssen wir morgen nicht groß kochen.

Da wir weit außerhalb des Hafens liegen, können wir schön beobachten, wie immer mehr Boote aus allen Richtungen in die Bucht streben, um 09:00 Uhr ist es dann soweit, wir sehen die ersten Leuchtraketen, die Explosionen erreichen uns mit Verspätung. Gut eine halbe Stunde lang dauert das Feuerwerk, danach erleuchtet nur noch der Beinahe-Vollmond die Szenerie. Die Armada der schaulustigen Boote fährt wieder zurück über die Bucht, teilweise mit ohrenbetäubendem Auspufflärm. Mir ist das unbegreiflich, wie die das selbst aushalten. An Bord muss es doch unerträglich laut sein. Uns ist schon häufig aufgefallen, dass viele der Boote hier wahnsinnig laut sind, anscheinend gibt es da keine Vorschriften oder es wird nicht kontrolliert. Irgendwann ist Ruhe und wir gehen schlafen.

05. – 07. Juli 2017 Von Southwest Harbor nach St. Andrews/Kanada

Als erstes fahren wir nach dem Frühstück zur nächstgelegenen Marina in die Bucht. Wir müssen zwar nicht unbedingt tanken, aber Diesel ist in Kanada bestimmt nicht billiger als hier. An einer Mooringtonne warten wir eine halbe Stunde, bis wir endlich dran sind. Der Tank fasst 65 gallons, das sind knapp 250 Liter. Die Stundenzähler der Motoren zeigen knapp 90 Betriebsstunden seit dem Tanken in Deltaville. Wir haben also 2,8 Liter pro Stunde verbraucht, und das mit 2 Motoren. Knapp eineinhalb Liter pro Motor, das ist echt sparsam. Gleichzeitig füllen wir noch die Trinkwassertanks auf, dann geht es bei strahlendem Sonnenschein und Flaute los nach Nordwesten. Langsam zieht die, überall mit Ferienhäusern bestückte, malerische Küste an uns vorbei. Wobei Ferienhaus das falsche Wort ist, es handelt sich eher um Riesenvillen.

Kurz nach dem Mittag können wir Segel setzen, ein konstanter 15 Knoten-Wind aus Südwest treibt uns mit 5 kn genau nach Osten, das Wasser ist völlig ruhig. So macht Segeln Spaß. Dreieinhalb Stunden später halsen wir nach Norden und ankern um 19:00 in einer völlig einsamen Bucht, geschützt vor dem mittlerweile stärker gewordenen Wind. Nach dem Abendessen, aufgewärmte Spaghetti, beruhigt sich der Wind und wir sehen uns eine Videofilm an, zum Draußensitzen ist es zu kalt.

Am nächsten Morgen geht es gleich unter Segeln los, bis 12:30 hält der Südwestwind, dann geht es mit Motor weiter. Zwischen der auf Steuerbord liegenden kanadischen Insel Manan und dem letzten Zipfel wird es wieder neblig, Wind kommt auf und wir suchen Schutz in der Bucht von Heads Harbour genau an der Spitze kurz vor Eastport, die 5 Meilen können wir morgen auch noch fahren. Außer uns ist gibt es nur eine Fischfarm. Hier habe ich das erste Mal einen kanadischen Telefonprovider in Reich-weite, meine angeblich weltweit funktionierende WorldSim Karte loggt sich ein und ich kann endlich damit telefonieren. Mit dem Partner AT&T in den USA hat es einfach nicht funktioniert. Es gibt Pellkartoffeln mit Frikadellen, damit ist der Rest Hackfleisch auch verarbeitet. Auch wenn es ziemlich frisch ist, sitzen wir bis gegen 11:00 draußen und hören Musik.

Der Segelführer nennt Eastport als besten Ort zum Ein- und Ausklarieren, also fahren wir morgens die 5 Meilen ums Eck. Dort gibt es aber keine für uns erkennbare Marina, alles ist eine große Baustelle. Weil wir so unschlüssig hin- und hersegeln, wird die Border Patrol aufmerksam und kommt mit einem offiziellen Boot längsseits. Einer der Beamten verweist uns nach St. Andrews in Kanada, dort könnten wir den Papierkram erledigen. Die 11 Meilen haben wir bei ruhiger See auch bald hinter uns und machen an einer vielen Mooringtonnen fest.

Ich packe meinen Leitz-Ordner mit den Dokumenten in einen wasserdichten Sack und ab geht es mit Klein-JABULO an die Pier. In ganz St. Andrews gibt es keine Einwander-ungsstelle, der Ort ist nur ein kleines Dorf. Ich überlege, ob wir noch mal 12 Meilen den St. Croix River hochfahren, dort gibt es einen Straßenübergang nach Kanada und sicherlich kann man dort auch als Segler die Einreiseformalitäten erledigen. Aber dann wäre wieder ein Tag verloren, und wir werden morgen in Digby erwartet und quer über die Bay of Fundy sind es noch über 60 nm. Wir beschließen, morgen ganz früh loszufahren und in Digby einzuklarieren. Ich habe schwere Bedenken, ob das so geht, ohne die Ausreise aus den USA zu dokumentieren. Aber was sollen wir machen, Augen zu und durch.

08. Juli 2017 Von St. Andrews nach Digby

Um 05:00 Uhr klingelt mein Wecker, ich komme nur schwer hoch. Ein Blick nach draußen zeigt dichten Nebel, man kann gerade die Nachbarboote sehen. Gerade will ich mich resigniert wider hinlegen, da hebt sich der Nebel wie von Geisterhand, mit völlig freier Sicht verlassen wir um viertel nach fünf den Hafen, gefrühstückt wird unterwegs. Nach gut einer Stunde, die Sicht ist fast wieder bei Null angelangt, erreichen wir die Durchfahrt durch die vorgelagerte Inselkette vor der Bay of Fundy. Hier geht es richtig zur Sache, wir müssen gegen den Flutstrom ankämpfen, der mit 2-4 Knoten von vorne kommt. Im Wasser bilden sich große Wirbel, die JABULO ohne Vorwarnung um bis zu 90° nach links oder rechts vom Kurs abbringen. Der Autopilot hat keine Chance, Handsteuerung mit sehr schnellen und beherzten Eingriffen ist angesagt. Da keines der beiden nicht weit entfernten Ufer sichtbar ist, kann ich nur nach Instrumenten fahren, wie bei einem Computerspiel stur das Schiff immer wieder auf in die richtige Richtung zwingen. Manchmal sehe ich schemenhaft den Umriss einer Felsnase oder einer Baumgruppe, wo laut Karte eigentlich nichts sein dürfte. So muss es früher den Schiffern bei Nebel auf dem Rhein gegangen sein, zu Hause haben sie aber lieber das Märchen von der Loreley erzählt anstatt zuzugeben, dass sie zuviel riskiert haben. Der Kampf dauert bestimmt eine Stunde, dann stellen wir den Autopilot auf direkten Kurs nach Digby ein, noch 50 nm.

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Im Nebel ist es nicht nur feucht, sondern auch kalt

Von da ab bleibt uns der Nebel bis vier Uhr nachmittags erhalten. Erst eine Meile vor Nova Scotia sehen wir plötzlich wieder etwas, die hohe Steilküste ragt im strahlenden Sonnenschein vor uns auf. Damit wird die Einfahrt zu einem optischen Genuss, links und rechts stehen Villen bis oben hin, wir sind das einzige Schiff, das einläuft. Per Funk frage ich an, wo wir einklarieren können, der Hafenmeister schickt uns zur Marina am Ende der Bucht. Leider zeigt meine Karte, dass es dort nur einen halben Meter Wassertiefe gibt, vorsichtig tastet sich JABULO an die vor uns riesenhoch aufragende Mole heran. Es ist gerade Niedrigwasser, am Ende der Mole will ich schon umkehren, da ruft mich jemand über Funk an: Katamaran, bitte fahre noch ein paar Meter weiter und biege dann scharf rechts ab.

Und tatsächlich, hinter der Mole ist die Einfahrt in eine private Marina, wo schon ein paar freundliche Leute bereitstehen, um beim Festmachen zu helfen. Ich habe allerdings den Eindruck, alle wollen das Spektakel unserer Ankunft miterleben. Ich muss im engen Hafenbecken wenden und dann bei ablandigem Wind rückwärts anlegen, aber es klappt im zweiten Anlauf.

Prisca und Benjamin, unsere neuen Crewmitglieder stehen auch schon am Steg, gutes Timing. Erst muss ich den hilfsbereiten Clubmitgliedern des hiesigen Yachtclubs die ganze Story erzählen und einige von ihnen durchs Schiff führen, auf so einem Katama-ran waren sie alle noch nicht. Das Platzangebot überwältigt alle, insbesondere die Ehefrauen sind vom Komfort beeindruckt. Wenn ich dann noch erzähle, dass man hier auch noch bei Am-Wind-Kursen kochen und komfortabel essen kann, stupsen sie Ihre Skipper an: Na das wäre doch auch was für uns. Dann gehen wir essen, die Einklarierung muss noch warten.

Am Eingang zur Marina befindet sich ein rotes Telefon. Wenn man den Hörer abhebt, ist man direkt mit der Einwanderungsbehörde verbunden. In ewigen Fragerunden werden die Personalien der Crew und die Schiffsdaten abgefragt und in eine Datenbank einge-geben. Dann hängt man eine Viertelstunde in der Warteschleife, bis die Bestätigung kommt, es komme gleich jemand vorbei. Sage und schreibe treffen um halb elf nachts tatsächlich 3 Beamte in Uniform, 2 Frauen, 1 Mann auf und kommen an Bord, um unsere Pässe zu kontrollieren und abzustempeln. Damit sind wir offiziell eingereist. Von unserer illegalen Einreise nach St. Andrews und dem Essengehen sage ich lieber nichts. Meine Sorge wegen der fehlenden Ausreise aus den USA erweist sich als grundlos, auch bei der Wiedereinreise benötigt die US- Immigration keinen Ausreisevermerk aus Kanada.

In Nova Scotia müssen wir die Uhren eine Stunde vorstellen, wir sind hier doch sehr weit im Osten. Ab jetzt gilt im Blog die neue Uhrzeit. Zu guter Letzt, so um Mitternacht, müssen Andreas und ich noch mal arbeiten, irgendwo läuft stinkende Brühe aus dem Abwassertank, wir finden das Leck, können aber außer einer gründlichen Dusche mit dem Wasserstrahl jetzt nichts mehr machen. Mit diesem unerfreulichen Abschluss war der Tag für mich extrem anstrengend, dennoch schlafe ich erst morgens um ein Uhr ein.

09. Juli 2017 Digby

Wir lassen uns unendlich Zeit beim Frühstück, irgendwie sind alle müde. Heute werden wir nicht mehr ablegen, auch wenn die Mittagszeit gerade richtig wäre, weil wir dann den höchsten Wasserstand haben und der Ebbstrom uns in die richtige Richtung treiben würde. Hier in Digby beträgt die Tide 7-8 m, weiter am Ende der Bay of Fundy sind es bis zu 15 m, das ist der größte Tidenhub weltweit. Alle Stege im Hafen, sowohl die für Fischer als auch die für Sportboote sind natürlich schwimmend angelegt. Beim gestrigen Einlaufen war beinahe Tiefstwasser, deswegen mussten wir uns so vorsichtig reintasten. Direkt hinter JABULO ragt bei Ebbe die Entlademole der Fischer hoch über uns hinaus, von draußen sieht man die Masten der festgemachten Schiffe nicht. Bei Hochwasser ist die Mole auf normalem Niveau. Die Zugangstreppen zu den Stegen sind fast waagerecht, während sie bei Tiefstwasser bestimmt 30° Neigung aufweisen.

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Um zwölf Uhr soll der lokale Supermarkt öffnen, Andreas und unsere Neuankömmlinge erstellen eine Einkaufsliste, unsere Bordvorräte sind in einigen Bereichen erschöpft. Zu dritt machen sie sich auf den Weg und ich untersuche im Backbordmaschinenraum die tropfende Abwasserpumpe. Wie bei den beiden baugleichen Bilgenpumpen, die ich bereits voriges Jahr repariert habe, ist das Rückschlagventil völlig zerbröselt, die Pumpe kann so natürlich nicht ansaugen, zum Glück habe ich noch eins in Reserve. Nach 2 Stunden fummeliger Arbeit, kopfüber in den Motorraum gebeugt, ist die Reparatur beendet und alle Schlauchanschlüsse sind dicht. Beim Pumpen kommt die eklige Brühe unter dem Schiff wie vorgesehen aus dem Abfluss. Aber hier im Hafenbecken kann ich den Tank natürlich nicht entleeren.

Als ich die Werkzeuge wegpacke, kommen die Einkäufer auch zurück. Wir sitzen zusammen und machen uns miteinander bekannt. Prisca, eine Architektin, und Benjamin, Unternehmensberater für Non-Profit-Organisationen (eigentlich ein Widerspruch in sich selbst!!) haben bereits mehrere Wochen NOVA SCOTIA hinter sich und sind uns daher mit dem Wissen über die lokalen Gegebenheiten voraus. Sie haben bis gestern bei Kanadiern beim Hausbau geholfen, sozusagen auch Hand gegen Koje. Sie berichten von der überwältigenden Gastfreundschaft, die auch uns sofort auffällt. Der Hafenmeister segelt auch und organisiert für uns einen Liegeplatz in der nächst gelegenen Marina von Meteghan, 40 nm südlich. Im Laufe des Nachmittages kommen noch mehr Yachtbesitzer vorbei und fragen, ob sie uns helfen können.

Gegen 15:00 Uhr läuft eine weitere Segelyacht ein, die Bordfrau kommt zu uns rüber und bietet an, dass sie uns mitnimmt zum Supermarkt. Prisca nimmt die Einladung an, irgendwas fehlt immer. Im Laden kann sie nicht an den Hummern vorbeigehen, die hier die Existenzgrundlage der ganzen Region bilden und kommt mit 2 Exemplaren zurück. Heute Abend gibt es also Hummer an Bord von JABULO.

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Ein Kartenspiel als Zeitvertreib

Das Wetter entwickelt sich nach dem morgendlichen Nebel von seiner besten Seite, strahlender Sonnenschein bei glasklarer Luft, die Sicht ist unglaublich. Ich schlendere nach dem Kaffee alleine ein wenig durch den Ort, ziehe bei der Bank ein paar kanadische Dollar, kaufe mir Eis in exotischen Geschmacksrichtungen und schieße ein paar Fotos. Digby ist nicht nur das Zentrum des Hummerfangs, sondern einmal jährlich auch das Ziel von mehreren tausend Motorradfahrern, die sich hier wie in Daytona treffen. Der ganze Ort wird ringsum für den sonstigen Verkehr abgeriegelt, die Maschinen stehen dicht an dicht aufgereiht an der Hauptstraße. Der erste Einhand- Weltumsegler Joshua Slocum hat hier auch ein Denkmal gesetzt bekommen, weil er hier mal gearbeitet hat. Über ihn werde ich berichten, wenn ich in Halifax bin.

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Als ich aufs Schiff zurück komme, ist bereits der Kartoffelsalat fertig, die Hummer krabbeln in den Küchenspülen herum. In einem unserer Töpfe wird schon Wasser erhitzt, dann fällt Prisca auf, dass keiner der Hummer da rein passt. Sie organisiert bei einem Nachbarschiff einen riesigen Suppentopf, der gerade so auf den Herd passt. Leider dauert es trotz zweier Flammen fast eine Stunde, bis die große Wassermenge endlich kocht und die Hummer treten ihren letzten Gang an. Nach einer knappen Viertelstunde sind sie gar und schön rot, wie man es von Bildern kennt. Nun ist guter Rat teuer, wie knacken wir die Panzer ohne Hummerzange?? Das einzige, das wir haben, sind unsere Rohrzangen und ein Seitenschneider, schnell noch mal abgewaschen, kriegen wir damit tatsächlich die harten Schalen geknackt. Besonders der Seiten-schneider erweist sich als praktisch. Am Ende der Orgie bleibt eine große Schüssel mit leeren Hummerskeletten übrig, die gleich wieder über Bord gehen als Futter für neue Hummer.

So langsam verschwindet einer nach dem anderen in der Koje, leider ist das gestern vom Motor im Boiler erwärmte Wasser bei 4 Personen an Bord schon zu Ende, es gibt nur noch eine knapp lauwarme Blitzdusche.

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