KW 48, ab 29. Nov.

29. November, Mittwoch Spanish Cay

Spanish Cay gehört zu den Abacos, der nördlichen Inselgruppe des Staates, die fast auf demselben Breitengrad wie die Kanarischen Inseln liegt. Direkt auf dem Außenriff gelegen, bildet es mit den Nachbarinseln eine Meeresschutzbarriere für die dahinter liegenden größeren Abaco-Inseln. Wie die anderen Cays besteht Spanish Cay aus Korallen, wie man überall an der Wasserkante sehen kann. Die Cays ragen nur wenige Meter auf, werden aber anscheinend selbst bei Hurrikanen nicht überspült. Auf der Atlantikseite ist eine Unmenge von Strandgut angespült, von Osten her hat das Meer über 3000 Seemeilen freien Raum, um alles einzusammeln, was da so herum schwimmt.

Nach einem erholsamen Schlaf ohne Schaukeln und Wassergeräusche erkunden Tom und Otto die Umgebung der Marina. Die Insel ist nur zwei Kilometer lang und ein paar Hundert Meter breit. Auf dem Hinweg zur Marina bringen sie unseren Müll von Bord, ich bin immer wieder erstaunt, wie viel sich auf einem Segelschiff ansammelt. Auf dem Rückweg bringt Otto eine der überall an den Stränden herumliegenden Conch-Muscheln mit. Ich erfahre bei der Rezeption, dass wohl heute das Wetter zu schlecht sein wird, um den Customs and Immigration Officer abzuholen. Wir müssen noch einen Tag aufs Einklarieren warten; ich habe ohnehin keine Lust, sofort wieder weiter zu segeln. Wir müssen erst mal ankommen. Außerdem gibt es viel zu tun. Wir geben jetzt das übliche, in jeder Marina zu beobachtende, Schauspiel. Wir reißen alle Luken auf, um das Schiff durchzutrocknen. Alles was so in den Kabinen rumliegt, wird an Deck gebracht, um die Feuchtigkeit raus zu kriegen. Es ist auch Kabinenwechsel angesagt, Tom zieht nach der Hälfte der Zeit in die große Vorderkabine um, Otto richtet sich in der Steuerbord Achterkabine ein. Am Abend haben wir zwei Säcke voller benutzter Wäsche und Bettwäsche, ich besorge noch Waschmarken, morgen früh ist Waschtag. Wir genehmigen uns auf der Terrasse der Marina ein Bier und nutzen das Internet, um uns auf den letzten Stand der Dinge zu bringen. Heute ist Otto wieder dran mit Kochen, er holt den gefrorenen Lachs aus dem Kühlschrank und zusammen mit Salzkartoffeln und Gemüse gibt es ein schönes Abendessen. Den krönenden Abschluss des Tages bildet ein Film mit Louis de Funes und seinen Außerirdischen.

30. November, Donnerstag, Spanish Cay nach Powel Cay 6 nm

Otto entwickelt sich langsam zum Frühaufsteher, wie es sich für einen ordentlichen Schwaben gehört. Wer um sieben Uhr noch im „Nescht“ liegt, stiehlt dem Herrgott den Tag. Als ich aufwache, ist er schon lange von Bord und hat eine Maschine Wäsche durchgewaschen. Ich nehme den zweiten Wäschesack und die übrige Wertmarke, um auch den Rest der dringend nötigen Reinigung zuzuführen. Auf dem Steg kommt mir ein amerikanischer Skipper entgegen und informiert mich, dass der Customs and Immigration Officer gerade angekommen ist. Ich schmeiße den Wäschesack in eine Ecke und hole alle unsere Papiere vom Schiff. Der Customs and Immigration Officer entpuppt sich als bildhübsche, kaffeebraune Dame von ca. 35 Jahren in perfekter weißer, gestärkter und gebügelter Uniform. Das Büro ist voll mit diversen Formularen, die zum Teil so viele Kopiergenerationen hinter sich haben, dass man nur noch raten kann, was man wo eintragen muss. Es ist ohnehin in mehreren Formularen fast immer dasselbe einzutragen, Crew-Liste und Reisepassangeben, einmal für die Einreise, einmal für den Zoll, einmal für die Schiffseinfuhr und einmal für die Gesundheitsbehörden. Nach einer halben Stunde muss ich 300 USD berappen und erhalte dafür ein ein-jähriges Cruising Permit für JA BULO, begleitet von einer gleichlangen Angelerlaubnis. Wir selber dürfen 3 Monate im Land bleiben, die Dauer kann aber verlängert werden. Zum Glück gibt es keine Vorschriften für den Wechsel von Crew-Mitgliedern, die neuen Mitsegler müssen am Flughafen das Einreiseformular ausfüllen, ich muss dann nur meine Crewliste aktualisieren. Damit sind wir offiziell eingereist und können uns frei bewegen.

Von dieser Freiheit wollen wir auch gleich Gebrauch machen, wir holen die gelbe Einklarierungsflagge ein. Nachdem die Wäsche durchgelaufen ist, zahle ich die Liegegebühren und wir legen ab, um zu der in Sichtweite gelegenen Insel Powel Cay zu fahren. Es sind  nur 6 Meilen, um kurz nach Mittag lassen wir um ca. 14:00 den Anker auf 3 Fuß Wassertiefe ca. 500 m vor dem Strand fallen, ich  traue mich nicht näher ans Ufer heran. Wir sind komplett alleine hier, die Insel ist unbewohnt. Tom springt sofort über Bord und schwimmt an Land, ich kann ihm gerade noch das Funkgerät aufnötigen, damit er im Zweifelsfall Kontakt mit uns aufnehmen kann. Bald ist er wieder zurück und erstattet Bericht. Er kann bis kurz vorm Strand nicht stehen, also hätten wir noch erheblich dichter ans Land heran gekonnt. In knapp zwei Stunden wird es dunkel, wir gehen nicht mehr an Land, sondern toben uns mit Herumschwimmen um JABULO herum aus. Zum Abendessen mache ich Pfannkuchen mit einer Saucenfüllung aus Bohnen und Mais, einigermaßen scharf gewürzt.

01. Dezember, Freitag, Powel Cay

Heute ist Ferientag, keine Termine, kein Ziel, das wir erreichen müssten. Wir alle drei setzen mit dem Dinghi zur Insel über. Wir binden das Dinghi an einem Bäumchen fest und es kann losgehen mit dem Schnorcheln und Schwimmen. Ein paar Meter links vom Dinghilandeplatz befinden sich Korallen, einige kleine Fische sind zu sehen, dazu gibt es Seeigel und Seesterne. Überall liegen die leeren Muschelgehäuse der großen Conch-Muscheln herum, bald haben wir eine kleine Sammlung davon beim Dinghi liegen.

Der Himmel ist leuchtend blau, das Wasser türkis, am Himmel sind nur ein paar Schönwetterwolken zu sehen, die Temperatur ist mit 25 °C sehr angenehm. Das Wasser hat sicherlich auch 23°C und die Sonne steht jetzt im Winter ziemlich flach, sodass die Sonnenbrandgefahr eher gering ist. Wir sind mitten im Klischee des tropischen Traumes angekommen. Es fehlen nur noch die lokalen Schönheiten, die uns exotische Drinks servieren. Weil ich schon vermutet habe, dass dies nicht der Fall sein wird, habe ich vorsichtshalber drei Flaschen kaltes Bier mitgebracht, mit dem wir nun auf die kommenden Wochen im Paradies anstoßen. Nach zwei Stunden sammeln wir unsere Muscheln ein und fahren zurück zu JABULO.

Tom und Otto müssen nämlich alle paar Stunden was essen und das späte Frühstück liegt schon etwas zurück. Bereits während der langen Überfahrt hat sich herausgestellt, dass wir völlig unterschiedliche Essgewohnheiten haben. Mir reicht ein Frühstück aus einer Tasse Kaffee und einem Croissant bzw. zwei Scheiben Toast, was für die beiden völlig unvorstellbar wäre. Als sich dann noch heraus stellt, dass ich bis zum Abendessen meist nicht mehr als einen Apfel oder eine Banane esse, können sie nur noch den Kopf schütteln. Also bereiten sie sich über den Tag verteilt, mehrere Zwischenmahlzeiten, teilweise gemeinsam, teilweise individuell. Abendessen gibt es aber stets zusammen. Heute ist Tom wieder dran, er bereitet einen Nudelsalat, dazu gibt es Wiener Würstchen mit Senf. Noch haben wir genug Vorräte, auch wenn sich die Schapps rapide leeren. Nach dem Essen genießen wir einfach die Wärme und den sanften warmen Wind. Wir bleiben die einzigen auf diesem Ankerplatz.

02. Dezember, Samstag Powel Cay nach New Plymouth 14 nm

Seit nunmehr fast vier vollen Tagen sind die Motoren fast nicht gelaufen und die Batterien entleeren sich zusehends. Die Solaranlage schafft es nicht, den Tagesverbrauch wieder nachzuladen, dabei ist der Wassermacher noch nicht einmal gelaufen. Für die Solarstromerzeugung sind im Winter die Tage zu kurz und die Sonne steht zu flach. Im nördlichern Sommer waren die Batterien meistens schon am Mittag wieder voll aufgeladen. Ottos Antwort als Schwabe besteht natürlich aus: Sparen, er spült jetzt das Geschirr mit Meerwasser vor und schaltet jede nicht benötigte Lampe sofort aus. Da wir heute aber ohnehin nach New Plymouth weiter segeln wollen, löst sich das Problem vorerst von alleine. Ab jetzt werde ich auch immer den Wassermacher laufen lassen, wenn einer der Motoren in Betrieb ist.

Nach dem Frühstück setzen wir aber erst noch mal zu unserer Robinsoninsel über, diesmal zu dem zweiten, weiter links gelegenen Strand. Unsere Muschelsammlung wächst weiter. Bei vielen Muscheln ist der Kopf abgeschlagen, diese wurden offensichtlich von Menschen verzehrt. Bei anderen Muscheln findet sich nur ein kleines rundes Loch in der Schale, das wohl von einem Seestern reingeätzt wurde, um dann die darin lebende Muschel herauszusaugen. Nachdem wir den Strand einmal komplett entlang gewandert und ein wenig geschwommen sind, besuchen wir noch das unter Wasser liegende Wrack eines Fischerbootes. Darin verstecken sich ganze Fischschwärme, dis sich durch uns nicht stören lassen. Als wir mit dem Dinghi zurückfahren, besuchen wir kurz ein gerade eingetroffenes Segelboot, das ein paar Hundert Meter neben JABULO ankert. Das Boot gehört einem kanadischen Ehepaar, das jeden Winter auf den Bahamas zubringt und das Boot im Sommer hier lässt. Auf meine Nachfrage hin empfehlen sie uns eine bestimmte Daten-SIM-Karte, die es aber nur in Marsh Harbour, evtl. in Hopetown gibt.

CIMG2976
Willkommen in New Plymouth auf Turtle Cay

Drei Stunden später ankern wir vor New Plymouth, es liegen bereits mehrere Yachten hier, darunter ein Motor-Trimaran, draußen auf Reede. Der Hafen ist für unseren Katamaran zu flach, und da wo er tief genug ist, befindet sich die Fahrrinne der kleinen Motorfähren. Tom und Otto fahren sofort an Land, sozusagen als Spähtrupp und kommen mit ein wenig Brot und Obst zurück. Otto hat außerdem zwei Kanister Trinkwasser erstanden, er ist der festen Überzeugung, dass das Wasser aus dem Wassermacher und dem Schiffswassertank nicht trinkbar ist. Außerdem haben die beiden für den Abend einen Tisch in einem Restaurant serviert. Um sieben Uhr machen wir uns stadtfein und setzen wieder über. Im Restaurant sind wir die einzigen Gäste, die Speisekarte ist, wie Loriot sagen würde, übersichtlich. Otto und Tom bestellen gegrilltes Hähnchen mit den obligatorischen 2 Beilagen (side-dishes) sowie einen Teller Conch als Vorspeise, ich nehme einen Mixteller Conch und Fisch. Letztlich ist bis auf die Hähnchenkeule alles dick in Bierteig eingepackt und frittiert. Für 30 Dollar hält sich die Begeisterung in sehr engen Grenzen. Zurück auf JABULO gibt es keine weitere Mahlzeit und wir hören wir uns den restlichen Abend Musik „Made in Germany“ an.

03. Dezember, Sonntag, New Plymouth

Heute ist Sonntag, am Nachmittag gehen wir wieder an Land, in dem Restaurant gibt es auch Eis, wie Otto gestern schon rausgefunden hat. Per Zufall entdecken wir ein freies leistungsfähiges WLAN, das zu einer Bar gehört, die aber geschlossen ist. Tom und ich verbringen dort eine geraume Zeit, um uns wieder mit der Welt zu verbinden. Ich telefoniere über Threema und Skype lange mit zu Hause. Da Tom noch länger braucht, schlendere ich ein wenig im Ort herum. Am äußersten Eck, direkt am Meer, entdecke ich eine Kneipe mit Namen Sundowner, in einer Stunde ist dort „Happy Hour“.

dav
Nicht zu übersehen, der Wegweiser

Ich suche meine Crew zusammen und wir genehmigen uns dort ein paar unserer Lieblingsdrinks, Tom Cuba-Libre, Otto Gin-Tonic und ich Rum mit Limone. Bald nach dem wirklich schönen Sonnenuntergang wird es schnell dunkel, jetzt kommen diverse weitere Gäste. Da wir heute nichts einkaufen konnten, wissen wir nicht so recht, was wir kochen sollen.

CIMG2980
Die Crew nach ein paar Drinks

Außerdem hat nach den Drinks ohnehin keiner mehr Lust dazu. Glücklicherweise gibt es in der Bar die typischen Snacks, Pizzas, Chicken Wings, usw.. Mit einem weiteren Drink dazu stärken wir uns, bevor wir mit dem Dinghi zu JABULO zurückfahren.

dig
Die Sundowner Bar

Immer wieder hören wir vom Nachbarkatamaran laute Pop-Musik zu uns herüber wehen, dort ist anscheinend eine Party in Gang. Als die beiden anderen um 10:00 Uhr schlafen gehen, fahre ich mit dem Dinghi rüber, mal sehen was da los ist. Vier Kanadier haben die riesige Leopard 48 gechartert, im Vergleich zu JABULO ein „Raum“-Schiff. Ich werde mit lautem Hallo begrüßt und bekomme gleich ein Glas Rotwein in die Hand gedrückt. Ich werde vom Skipper herumgeführt, alles ist vornehm in Weiß gehalten, das gesamte Deck bildet eine einzige durchgehende Ebene. Das Schiff verfügt über 2 Generatoren und 2 Klimaanlagen, alles wird zentral elektronisch gesteuert. Das ist modernes Luxussegeln. Leider ist die gesamte Mannschaft schon ziemlich „hinüber“, die Party hat, wir hören konnten, schon gegen 18:00 begonnen. So richtige Unterhaltung will nicht aufkommen und ich fahre nach einer halben Stunde wieder zu JABULO zurück.

 

 

Hinterlasse einen Kommentar