KW 35, ab 28. August

28. August, Montag Boston

Für heute haben wir uns die Besichtigung der berühmten Harvard-Universität und des MIT (Massachussetts Institute of Technology) vorgenommen. Beide sind vom Stadtzentrum aus per U-Bahn gut zu erreichen. Direkt gegenüber vom Harvard Campus liegt die U-Bahn-Station, wir müssen nur einmal die Straße überqueren, dann sind wir auch schon im parkähnlichen Innengelände. Überall stehen Stühle unter den Bäumen, teilweise besetzt, jeder kann sich da niederlassen. Fast alle haben entweder einen Laptop oder ein Smartphone vor sich. Ob sie damit arbeiten oder nur surfen, kann man natürlich nicht erkennen.

Laura möchte erst mal ein Eis essen gehen, wir trennen uns deshalb, Thilo und ich erkunden das Gelände, praktisch alle Gebäude sind nur für eingetragene Studenten und Mitarbeiter zugänglich. Nur ein einziges Museum mit einer Ausstellung über Kennedy können wir betreten. Im Inneren entdeckt Thilo plötzlich, dass er mit seinem Zugang zu seinem Studien-Netzwerk in Osnabrück sich auch ins WLAN-Netzwerk von Harvard einwählen kann, das Ganze heißt EDU und scheint weltweit für alle Studierenden zu funktionieren.

Die Ausstellung gibt nicht viel her und wir versuchen die Wohnheime der Studenten zu finden, Thilo will unbedingt wissen, wie denn das viel gerühmte Campusleben ausschaut. Am Rand des Geländes werden wir fündig. Die Studenten wohnen in mehrstöckigen aus roten Klinkern gebauten Heimen, die aussehen wie die typischen Mietshäuser in Norddeutschland. Das Studentenleben auf dem Campus ist doch sehr viel anders als das Studium an deutschen Universitäten. In den USA leben die jungen Leute praktisch am Arbeitsplatz, wenn man das mal so nennen will. Sie haben über Jahre hinweg praktisch nur Umgang mit anderen Studenten. Die Uni verfügt natürlich über Mensen, Sporteinrichtungen, Bibliotheken und sogar kleine Läden, man muss also kaum nach außen.

Nach dem Rundgang treffen wir uns alle vier wieder unter den Bäumen im Park, über Thilos Internetzugang lade ich meine letzten Blogeinträge, mit dem er von New York nach Memphis fahren will. Laura und Lukas sind ein wenig enttäuscht, dass man nirgends rein kann und haben daher keine Lust auf den besuch des MIT. Also laufen wir beiden Ingenieure zu Fuß die 2 Meilen bis dahin. Die anderen gehen voraus zum Schiff. Wir erreichen das MIT sozusagen von hinten, dort sieht es aus wie eine typische Chemiefabrik, hier stehen reine Zweckgebäude für Experimente. Weiter zum Wasser hin befindet sich dann die Schokoladenseite mit großzügigen Rasenflächen vor repräsentativen Gebäuden im von den Amerikanern offensichtlich geliebten neo-römischen Stil mit Säulen, Bögen und Giebeln. Am Wasser auf der anderen Straßenseite findet sich die MIT-eigene Segelschule mit Yachtclub und allem, was dazu gehört. Mit der U-Bahn fahren wir zurück ins Stadtzentrum. Auf dem restlichen Fußweg zum Boot ist es richtig kalt zwischen Hochhäusern, die Sonne steht zu flach, ein kalter Wind fegt durch die Straßenschluchten. Wir genehmigen uns noch ein Bier in einer der vielen Bars und dann geht es zurück auf JABULO.

29. August, Dienstag Boston nach Plymouth 39nm

Ab 06:00 Uhr morgens starten die Flugzeuge praktisch über unseren Kopf hinweg, wahrscheinlich schon früher, aber dann haben sie mich geweckt. So schön die Stadt Boston auch ist, der Flugplatz liegt praktisch in der Stadt und arbeitet rund um die Uhr. Der Fluglärm ist je nach Windrichtung kaum zu ertragen. Wir sind alle früh wach und legen kurz vor acht Uhr ab. Im Hafen ist praktisch noch nichts los, einzig die Katamaran-Schnellfähren sind unterwegs. Mit Motor fahren wir aus der Bucht heraus, dann bringt uns der Wind anfänglich gemütlich, später sogar flott zur nur 35 nm entfernten Bucht von Plymouth. Wir freuen uns schon auf eine frühe Ankunft in der Marina Brewer, bei der ich mich per Telefon angemeldet hatte, als wir direkt vor der Einfahrt wider mal eine Fischerboje einfangen, oder vielmehr sie uns. Die Segel müssen runter und wir hängen mit der Backbordschraube wie an einem Anker fest. Mit der rückwärts laufenden Steuerbordmaschine gelingt es, die Leine so zu positionieren, dass wir sie mit dem Bootshaken anheben und über eine Klampe ziehen können. Dort wird sie fixiert und das andere Ende angeschnitten, wir sind wieder frei. Der Fischer hat jetzt eine Reuse weniger, selbst schuld, warum hängt er sie auch dahin, wo wir segeln wollen. Wir haben jetzt nur noch einen Motor zum Einlaufen und Festmachen, aber es klappt ohne Probleme. Merke: Ein Katamaran hat durch die 2 Motoren eine Sicherheitsreserve, mit einem Einrümpfer hätten wir unter Segeln den engen Einfahrtskanal bewältigen müssen und dann in dem engen Hafen anlegen.

Wir haben kaum festgemacht, da kommt uns auch schon Lady Di auf dem Steg entgegen. Ihr erinnert Euch, es handelt sich um die mittlerweile 88-jährige Skipperin des 10,5 m Gemini-Katamarans die ich in der Werft in Deltaville getroffen hatte. Sie hatte mich eingeladen, sie auf der Rückfahrt zu besuchen. Während ich uns bei der Marina anmelde, taucht Thilo unters Schiff um die Leine loszuschneiden; als Trophäe haben wir jetzt eine schöne Boje an Bord, die wir z.B. als Ankermarkierung verwenden können. Wir verabreden uns für morgen Mittag mit Diane zu einem Ausflug, heute fährt sie noch Laura und Lukas zum Einkaufen. Thilo und ich besorgen noch das fehlende Bier.

Dann bereiten wir JABULO mit allen acht Fendern auf den angekündigten Sturm vor, der uns breitseits an die Pier drücken wird. Schon bald nach dem Abendessen geht es los, es beginnt zu regnen, wird kalt und der Wind geht hoch bis auf 25 Knoten. Bei der Seitenfläche des Katamarans werden die Fender ernstlich beansprucht. Ans Rausgehen oder gar draußen Sitzen ist nicht zu denken bei dem Sauwetter.

30. August, Mittwoch Plymouth

Die ganze Nacht hindurch hat es gestürmt, auch am Morgen werden in Böen noch 30 kn angezeigt, allerdings ist es fast trocken und die Wolken verziehen sich langsam. Ich packe den mittlerweile vollen Wäschesack und lade im Waschraum der Marina 2 Maschinen gleichzeitig, eine halbe Stunde später kommt alles in die Trockner, auf dem Schiff haben wir nicht genug Leine für soviel Wäsche.

Pünktlich um 13:00 Uhr kommt Diane und holt uns ab, es geht nach Duxbury, ihrem Heimatort, etwa 10 km nördlich von Plymouth. Plymouth ist der mythische Ort, an dem 1620 zum  ersten Mal Siedler mit der Absicht zu bleiben, in Amerika an Land gingen. Am Strand gleich neben der Marina befindet sich ein großer Felsbrocken, auf den der erste Europäer seinen Fuß gesetzt haben soll. Da früher die Touristen immer Stücke als Souvenir abgeschlagen haben, ist er jetzt unerreichbar eingefasst worden. Der Bach, aus dem die Siedler ihr Wasser entnommen haben, fließt heute durch einen kleinen Park. Der Nachbau der „Mayflower“ der sonst in Plymouth zu besichtigen ist, befindet sich zur Zeit in einer Werft zur Reparatur, damit sie rechtzeitig zum 400. Jubiläum im Jahre 2020 in altem Glanz erstrahlt. Spötter behaupten, dass heutzutage so viele Familien in den USA behaupten, ihre Vorfahren seien mit der Mayflower gekommen, dass diese so groß wie ein Flugzeugträger hätte sein müssen, um sie alle fassen zu können.

Duxbury wurde nur ein paar Jahre später gegründet und gehört damit auch zu den ältesten Siedlungen der USA. Diane kennt hier jedes Haus, als erstes führt sie uns zum Duxbury Yachtklub, dem drittältesten der USA. Hier hat sie segeln gelernt, ihre ganze Familie waren Segler. Der Klub verfügt über ein phantastisches altes Klubhaus mit jeder Menge Siegespokalen an den Wänden. Diane war die erste Frau, die in den Vorstand des alt-ehrwürdigen Männervereins als Kassenwartin gewählt wurde, was seinerzeit große Aufregung gab. Wir fahren noch kurz zur Werft, in der ihr Katamaran „Ceasar’s Ghost“ auf dem Trockenen liegt. Sie wird Ende September damit wieder runter auf die Bahamas fahren. Der Gemini105 hat einziehbare Schwerter und Ruder und dann nur noch ca. 50 cm Tiefgang, ist also ideal für den Intra Coastal Waterway und die flache Chesapeake Bay. Die Hochseetüchtigkeit ist allerdings etwas bescheiden.

Dann gibt es eine Rundfahrt durch Duxbury mit einer kurzen Beschreibung diverser Häuser und Villen. Duxbury erleidet zur Zeit das Schicksal vieler alter Küstenorte, die alten Häuser werden angerissen, um mehr oder weniger protzigen Ferien-Anwesen reicher Großstädter Platz zu machen. Der vorgelagerte Sandstrand ist ideal für die Sommerfrische, nur leider haben wir nichts davon, auch dort bläst trotz strahlend blauen Himmels ein eisiger Wind. Zum Abschluss besuchen wir einen kleinen Weinladen, in dem es zu meiner Überraschung einen Wein mit der bekannten Silhouette von Sylt auf dem Etikett gibt. Der Wein heißt auch etwas mit Sylt, kommt aus Italien und wird in den USA wegen seiner geringen Kalorienzahl als Wein für die modernen ernährungsbewussten High-Snobiety-Leute verkauft. Sylt wird als „Germany’s Martha’s Vineyard“ vermarktet. Der Geschäftsinhaber seinerseits ist überrascht, dass ich Sylt kenne und sogar aus der Gegend stamme.

Zuhause bei Diane machen wir ein wenig Smalltalk bei einem Glas Wein, dabei klären wir, dass JABULO problemlos durch den Cape Cod Canal durchfahren kann. Ich hatte in der Karte eine Durchfahrtshöhe von 41 Fuß gelesen, in Wirklichkeit sind es jedoch 41 m. das spart uns mindestens einen Tag Reisezeit. Als Dianes Tochter eintrifft, gehen wir gemeinsam in ein Restaurant, „The Oysters“. Thilo isst unter intensiver Beobachtung die ersten Austern seines Lebens, Begeisterung sieht anders aus. Nach dem Essen fährt Dianes Tochter uns zurück zur Marina. Vielleicht werde ich Diane auf den Bahamas wieder treffen, sie geht stets nach Hopetown, mal sehen, wo das ist. Inzwischen ist eine Mail mit der Bestätigung von Anita und Rafael eingetroffen, dass sie am 7.9. nach New York kommen werden.

31. August, Donnerstag Plymouth nach Cuttyhunk 57nm

Heute ist das Wetter wieder wunderbar, bis zum Eingang des Kanals können wir segeln, im Kanal ist das aber verboten. Leider sind wir drei bis vier Stunden zu spät dran, um mit dem Strom durchzurauschen. Bis zum Ausgang haben wir erst 1,5 Knoten, dann später sogar 3 Knoten gegen uns. Aber einen ganzen Tag warten macht auch keinen Sinn, also beide Maschinen auf 2.500 Touren und es geht mit 5 Knoten über Grund durch. Nach dem eigentlichen Kanal müssen wir noch eine Stunde weiter ohne Segel motoren, dann können wir so hoch es geht am Wind nach Südwesten abbiegen. Nach einiger Zeit wird der Wind unstet, nach Newport schaffen wir es heute sicher nicht mehr. Also laufen wir die Bucht von Cuttyhunk an, um dort zu ankern, auch wenn der Platz für den angekündigten Nordwestwind offen ist.

Erst einmal ist es schön ruhig zum draußen Essen, bis spät sitzen wir im Cockpit und hören Kabarett mit Sebastian Pufpaff und die Geschichten vom Känguruh. Was für einen Quatsch die Leute so alles auf ihrem Smartphone dabei haben. Bei ruhigem Wetter gehen wir schlafen, mitten in der Nacht geht plötzlich der Ankeralarm los, wir treiben langsam ab. Es dauert fast eine Stunde bis wir im Dunkeln den Anker eingeholt und uns an einer der Mooringtonnen festgemacht haben. Dort liegen wir sicher und können die über 20 Knoten Wind gelassen verschlafen.

01. September Freitag Cuttyhunk nach Newport

Am Morgen haben wir immer noch 15 20 Knoten Wind, wir setzen Segel, das Großsegel im ersten Reff, JABULO läuft über 8 Knoten. Als Thilo das Segel etwas dichter holen will, gibt es einen Ruck, das Großsegel beginnt zu flattern. Wie sich später rausstellt, ist der Knoten der Reffleine um den Baum aufgegangen. Wir verringern die Segelfläche aufs zweite Reff und es geht genauso flott weiter wie vorher. Kurz vor Newport dreht der Wind erst in die falsche Richtung und legt sich dann fast völlig. Wir motoren in den Hafen von Newport und laufen die Tankstelle an, um Diesel und Wasser zu bunkern. Um viertel nach Zwölf werfen wir dann den Anker im südlichen Ankerfeld.

Als wir das Dinghi ins Wasser lassen wollen, klemmt der ausziehbare Kran im Baum fest und geht weder vor noch zurück, irgendwie hat er sich mit dem Unterliekstrecker verkeilt, der lässt sich nämlich auch nicht mehr bewegen. Wenigstens die Reffleine des ersten Reffs bekommen wir wieder eingeschoren. Wegen des klemmenden Krans bauen wir den Außenborder vom Dinghi ab und lassen es von Hand übers Heck ins Wasser rutschen, ab jetzt müssen wir es eben hinter uns herschleppen. Mit Bordmitteln können wir am Baum nichts mehr machen, das hintere Ende des Baumes ist von Bord aus schwer zugänglich und Kraft können wir schon gar nicht ansetzen.

Dann fliegt dauernd die Sicherung einer der Brauchwasserpumpen raus. Ein kurzer Blick, sie leckt und das Wasser schließt die Kontakte kurz. Für heute reicht es mir, Thilo auch, wir haben beide fast 5 Stunden am Schiff gearbeitet und das beieinem kalten Wind. Wir haben keine Lust mehr an Land zu gehen. Der Außenbordmotor kann bei den Wellen ohnehin nur unter Schwierigkeiten ins Dinghi transferiert werden. Also bleiben wir an Bord, zum Essen gibt es Nudeln mit Gemüse, dazu ein Bier. Das Wasser beruhigt sich zusehends und wir machen uns einen gemütlichen Abend mit einem Frage-und Antwortspiel, bei dem man auf die Antworten wetten kann. Die beiden Ingenieure gewinnen haushoch.

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