KW 22, ab 29. Mai

29. Mai 2017 Cape May

Ohne funktionierenden Außenbordmotor war JABULO gewissermaßen unser Gefängnis. Also gab es nach dem späten Aufstehen ein langes Frühstück, d.h. Josef war schon wieder um 06:00 wach, kochte sich Porridge und nahm dann mit uns anderen sozusagen ein zweites Frühstück ein. Anschließend beobachten Andreas und Josef den immer noch regen Memorial-Day Feiertags-Bootsverkehr, der direkt an unserem Liegeplatz vorbei geht. Ich bringe den ganzen Tag damit zu, heraus zu finden, warum die gerade installierten Solarzellen keine Leistung bringen. Jedes einzelne Solarpanel bringt die Sollspannung, die Serienschaltung ist auch ok, und letztlich kommen auch die berechneten 45 V am Ladregler an. Warum zeigt der Batterie-Monitor keinen Strom?? Endlich dämmert es mir, ich habe den Ausgang des Ladereglers direkt an die Batterie angeschlossen und damit dem Messwiderstand des Monitors umgangen. Nach einer einfachen Umverdrahtung zeigt die Anzeige einen Ladestrom von über 20 A wie geplant. Hoffentlich haben wir in Zukunft keinen Strommangel mehr.

Wir kochen unseren Kaffee mit der elektrischen Kaffeemaschine, das Brot wird im Toaster genießbar gebräunt, Speisereste werden in der Mikrowelle warm gemacht. All das zieht Strom, und abends wollen wir hin und wieder auch noch einen Film schauen. Kühlschrank und Gefrierschrank laufen abwechselnd, letzterer dient aber nur als Getränkekühler. Alle anderen Verbraucher wie Navigation, Funk oder Beleuchtung können demgegenüber fast vernachlässigt werden.

Heute Abend ist Kinopremiere, wir schauen uns den Paten, Teil 1 mit Marlon Brando an. Wegen der Kälte gibt es Glühwein anstatt Bier, zum Knabbern haben wir Salzbrezel und Erdnüsse, alles fast wie zu Hause.

30. May 2017 Cape May

Gegen 05:00 morgens bemerke ich Schritte und Unruhe auf dem Schiff. Ich nehme an, dass Josef immer noch am Jetlag leidet und deshalb so früh auf den Beinen ist und sein geliebtes Porridge zubereitet. Ich schlafe wieder ein. Beim gemeinsamen Frühstück überrascht Josef uns mit der Ankündigung, dass er sofort abmustern will. Er gibt keine weitere Erklärung dazu und ich will hier auch nicht spekulieren über seine Gründe. Offenbar hat er etwas vollständig Anderes erwartet. Er hat all seine Sachen bereits gepackt, und nach dem Frühstück rudert Andreas ihn mit dem Dinghi zur nahe gelegenen Coast-Guard-Station rüber. Ab jetzt sind wir wieder zu zweit.

Noch etwas geschockt von der plötzlichen Entwicklung muss für uns die Reise weitergehen. Was ist los mit dem Außenbordmotor?? Das ist jetzt die wichtigste Frage. Wir heben das Dinghi so an Deck, dass der Motor schön zugänglich mitten auf der Achterplattform steht. Vorsichtig schrauben wir den Vergaser und alle Kraftstoff-leitungen auseinander und reinigen alles. Wir erneuern die Zündkerzen, wechseln das Getriebeöl und bauen alles wieder zusammen ohne jedoch einen offensichtlichen Fehler entdeckt zu haben. Immerhin springt der Motor jetzt zuverlässig an und läuft, allerdings bringt er immer noch keine wirkliche Leistung. Irgendwie bekommt er zu wenig Sprit.

Andreas und ich riskieren die erneute Überfahrt zur eine halbe Meile entfernten Marina, parken das Dinghi dort und wandern noch mal in die Stadt. Diesmal belassen wir es nicht bei der Fußgängerzone, sondern gehen auch runter zum Strand. Cape May hat, wie viele andere Orte an der Ostküste, einen wunderbaren kilometerlangen 100-200 m breiten Sandstrand, der allerdings jetzt in der Vorsaison ziemlich menschenleer ist. Es stehen zwar massenhaft Liegestühle und Sonnenschirme in Reih und Glied herum, doch nur wenige sind belegt. Entlang des Strandes zieht sich ein ebenfalls kilometerlanger Promenadenweg, auf der Stadtseite reiht sich ein riesiges Hotel ans andere. Im Sommer muss es hier nur so von Touristen wimmeln. Jetzt sind die meisten kleinen Imbissbuden und Eisbars noch geschlossen.

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Ein Kurhotel wie aus dem Bilderbuch

Auf dem Rückweg versuchen wir mehrmals an den überall stehenden ATM Geldautomaten Bargeld zu ziehen. Keine unserer Kredit- oder Bankkarten werden akzeptiert. Dann probieren wir es an einer richtigen Bank. Und siehe da, ohne Problem können wir 500 USD abheben, es wäre auch mehr möglich gewesen. Jede Abhebung kostet 2,50 $ Gebühren, unabhängig von der Summe, das ist ok. Die ATM funktionieren anscheinend nur mit US-Karten und sind außerdem auf 200 $ limitiert. Außer den ATM funktionieren auch viele Bezahlautomaten wie Tankstellen, Parkuhren, Parkhäuser usw. nicht mit ausländischen karten. Ich habe ohnehin die Erfahrung gemacht, dass man durch Bargeldabhebung den besten Wechselkurs erhält. Bezahlt man direkt mit der Kreditkarte, unterliegt man dem Wechselkurs von Mastercard oder VISA. Und Barzahlung funktioniert überall, auch wenn man den Amerikanern nachsagt alles und jedes mit Karte zu bezahlen.

Beim Rückweg zum Dinghi werden uns allmählich die Beine schwer, wir sind schätzungs­weise 8-10 km zu Fuß gelaufen. Der Motor startet einwandfrei und bringt uns sicher, wenn auch nur mit halber Kraft, zurück zu JABULO. Es gibt polnischen Kartoffelsalat zum Abendbrot, dann ziehen wir uns den Paten 2. Teil rein.

31. May 2017 Cape May

Wir verbringen den ganzen Tag an Bord mit Klarschiff machen, Kleinreparaturen, Lesen Kochen und Logbuchschreiben und vor allem Faulenzen. Die Windvorhersage verspricht gute Weiterfahrt-Bedingungen für den nächsten Tag, also beschließen wir, Cape May morgen Lebewohl zu sagen.

Weil sonst nichts weiter Erwähnenswertes passiert, ist Platz für ein paar Worte zu unserer Verpflegung. Bisher habe ich zwar erzählt, dass wir für 300 $ Lebensmittel und für 100 $ Bier und Wein gebunkert haben, aber nicht, worum es sich handelt. Zuerst einmal haben wir eine Küchengrundausstattung beschafft, bestehend aus Reis, Spaghetti, Mehl, Gemüse und Obst in Dosen, Thunfisch, Gewürze, Trinkwasser, Ketchup, Senf, Mayonnaise, Zucker, Marmelade, Honig, Erdnussbutter, Tee, usw. Dann haben wir einen Vorrat an Müsliriegeln, Cornflakes, Keksen, Salzbrezeln, Erdnüssen und Schokolade als Snacks für zwischendurch beim Segeln. Für den täglichen Verbrauch sind da die frischen Sachen: Brot, Gemüse, Obst, Kartoffeln, Eier, Käse, Milch, Butter Joghurt, Wurst und Schinken, alles Ding, die eine Woche haltbar sind. Je nachdem, kaufen wir dann Fleisch oder Fisch dazu, wenn es das gerade gibt.

Letztendlich leben wir fast komplett vegetarisch, Andreas isst zwar Fleisch, wenn es sein muss, aber nur für mich will ich denn auch nichts kaufen und zubereiten. Mit dem Kochen wechseln wir uns ab, aber meist lässt Andreas sich nicht aus der Kombüse verdrängen. Zum Frühstück esse ich meine 2 oder 3 Scheiben Toast mit Marmelade und/oder Erdnussbutter, manchmal ein Käsebrot. Andreas macht sich meist noch etwas Paprika oder Tomate und oft ein paar Eier. Dazu gibt es Kaffee. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis wir eine einigermaßen schmackhafte Röstung gefunden hatten und dann noch mal etliche Anläufe, bis wir raushatten, ihn so stark zu machen, dass er auch nach was schmeckt.

01. Juni 2017 Cape May nach Atlantic City, 43 nm

Um 09:00 lichten wir den Anker und verlassen die Bucht von Cape May, bei Tageslicht ist es ganz einfach, an dem Saugbagger vorbei zu kommen. Gleich an der vorgelagerten Ansteuerungstonne setzen wir Segel, das Groß mit einem Reff, die Genua vollständig. Bei den nur 8-10 Knoten Wind aus West bewegt sich JABULO nur sehr träge, nach ca. einer Stunde frischt es auf und der dann mit Stärke 4 einsetzende Nordwest bläst uns mit um die 7 Knoten zu unserem nächsten Zwischenziel, Atlantic City.

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Die Skyline von Nahem
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Atlantic City voraus !!

Kurz vor der für uns zu niedrigen Brü-cke über den Küsten-High-way finden wir nach mehreren Versuchen einen Anker-platz, an dem der Anker auch hält, wir haben immer noch Windstärke 4.

Der Ankerplatz, offiziell als solcher ausgewiesen, liegt nicht nur im Wind, sondern auch im Gezeitenstrom, der dort 2-3 Knoten erreicht und mächtig an der Kette zieht. Je nach Gezeit addieren sich Wind und Strömung, was bei unserem Kat zu der merkwürdigen Situation führt, dass wir manchmal mit dem Heck zum Wind liegen, normalerweise hat der Wind die Oberhand, bei Einrümpfern praktisch immer.

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So treibt JABULO herum

Aber wenn die beiden Rümpfen von der starken Strömung geführt werden, geht die Kette direkt unter den Rümpfen nach hinten auf Spannung. Da ich Strömung und Wind an dieser Stelle nicht ganz traue, bleiben wir an Bord und sehen uns den dritten Teil des Paten an. Zufälligerweise gibt es darin eine Szene, die in einem der Hotels von Atlantic City spielt, die versammelten Mafia-Oberhäupter werden in einer der oberen Etagen von einem Hubschrauber mit Maschinengewehren nieder gemäht. Von unserem Logenplatz haben wir best Sicht auf mehrere dieser Hotels, die mit ihren riesigen bewegten Reklame-anzeigen zu uns herüber leuchten.

02. Juni 2017 Atlantic City

Es ist Freitag, ich will versuchen, vor dem Wochenende für unseren immer noch stotternden Dinghi-Motor einen neuen Kraftstoffanschluss und eine neue kleine Handpumpe zu finden. Ich habe den Verdacht, irgendwo kommt Luft ins System und der Vergaser kann nicht richtig ansaugen. Der Dockmaster an der städtischen City Marina telefoniert in der Gegend herum und organisiert angeblich, dass morgen ein Motoren-mechaniker mit den notwendigen Teilen aufkreuzt. Wir sollten dann mit dem gesamten Katamaran an seiner Außenmole für Besucher festmachen. Wir essen noch ein Eis und stottern uns zurück auf unsere vor Anker liegende JABULO und lassen den Tag gemütlich an uns vorbei ziehen. Abends klingt von der Stadt Live-Musik herüber, je nach Windrichtung wechselt der Sound von Rock über Country hin zu Rap. Wie schon vorige Woche wird anscheinend immer freitags das Wochenende eingeläutet.

03 Juni 2017 Atlantic City

Gegen 09:00 verlassen wir unseren Ankerplatz und verholen JABULO in die Marina, solange wir wegen technischer Probleme dort liegen, kostet uns der Platz erstmal nichts. Ansonsten ist hier in den USA überhaupt nichts umsonst, selbst fürs Parken von Dinghis wird oft eine Gebühr erhoben. Der Katamaran mit der deutschen Flagge erregt eine Menge Aufsehen, jeder muss doch mal hinschauen.

Andreas macht sich auf den Weg zu einem ersten Erkundungsausflug in die Stadt, während ich auf den Mechaniker warte, allerdings vergebens. Mehrere Anrufe enden mit Vertröstungen und das war’s dann mit der Motorreparatur. Ich nutze die offene WLAN Verbindung der Marina, um meine Webseite zu aktualisieren, und füge in der Mitsegelbörse den nächsten Reiseabschnitt von der Karibik nach Brasilien hinzu. Außerdem kann ich übers WLAN mit zu Hause skypen. Dort ist im Gegensatz zu hier fantastisches Sommerwetter, die Enkel sind über das ganze Pfingstwochenende zu Besuch in Hartheim und toben am Pool.

Gegen 15:00 mische ich mich unter das Volk, das sich direkt am Kai bei den diversen Bars und Fast-Food-Trucks den Nachmittag vertreibt. Ich bestelle mir einen der Cocktails mit diversen Rumsorten. Als ich darum bitte, nur 2 oder Eiswürfel in den Becher zu tun, wird stattdessen mit Fruchtsaft aufgefüllt. Ich setze mich auf einen der bereit gestellten Stühle neben der Bar und genieße die Musik der live spielenden 2-Mann Band, die das gesamte klassische Repertoire an Rock und Blues drauf hat. Der Drink hat es mächtig in sich, dazu kommt die Sonne, ich döse vor mich hin. Auf dem Wasser ist mächtig was los, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen von Motoryachten und Ausflugsbooten.

Gegen 18:00 kommt Andreas zurück und erzählt von seinen Eindrücken von Atlantic City, er ist überhaupt nicht angetan, insbesondere der katastrophale Zustand der nicht direkt an der Promenade liegenden Häuser lässt ihn nur den Kopf schütteln, „dritte Welt ist das hier“. Wir füllen noch den leeren Wassertank auf und legen ab, um wieder zurück zu unserem Ankerplatz zu fahren.

04. Juni 2017 Atlantic City

Wir verbringen den Vormittag an Bord mit lesen und faulenzen, dann bauen wir noch mehrere der mitgebrachten LED-Lampen ein. Jetzt verfügt jede der Vorderkabinen über eine dimmbare und eine immer voll strahlende Deckenleuchte. Gegen Nachmittag frischt der Wind immer mehr auf, es sieht nach Gewitter aus. Die Wettervorhersage berichtet von Starkwind in der Nacht und ich beschließe, den unsicheren Ankerplatz zu verlassen und an den Steg der Marina zu gehen. Windstärke 6 und dazu die Strömung sind mir zu gefährlich, da könnte ich nicht ruhig schlafen.

Also kehren wir wieder am späten Nachmittag dahin zurück, wo wir gestern auch schon waren. Das erste Anlegemanöver missglückt, weil Andreas zwar die Vorleine in der Hand hat, aber keine Anstalten macht, rüberzuklettern und sie fest zu machen. Wir treiben vom Steg weg und ich drehe eine komplette Ehrenrunde mit JABULO. Beim zweiten Versuch ist dann einer der Marina-Angestellten da und nimmt die erste Leine in Empfang.

Die Bars sind, weil Sonntag ist, natürlich geöffnet und wir genehmigen uns noch je einen der kräftigen Drinks. Langsam ziehen dicke Wolken über dem Land auf, es sieht bedrohlich aus. Aber erst gegen 19:00 fängt es an zu regnen, der angekündigte Starkwind kommt gegen Mitternacht, ich merke im Schlaf, wie es im Rigg heult.

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